Was bei Webasto schiefgelaufen ist

Der Zulieferer Webasto hat 2021 Verluste geschrieben. Eine herbe Enttäuschung für den Anbieter von Dach-, Heiz- und Kühlsystemen sowie Lade- und Batterielösungen. Der Grund dafür waren neben Corona, Halbleiterthemen und der sehr volatilen Volumenentwicklung vor allem große Probleme mit einem Auftrag für den Kunden Ford.

„Der Dachauftrag für den Ford Bronco hat als Einzelprojekt das Ergebnis so stark belastet, dass wir damit im Grunde kein positives Ergebnis mehr schreiben konnten“, sagt Webasto-Vorstandschef Holger Engelmann. „Der Verlust mit Blick auf das Projekt liegt in einer Größenordnung von mehr als 200 Millionen Euro. Das ist ein Impact, der über normale Maßnahmen nicht mehr auffangbar war. Wir hatten einen Anlaufinvest geplant, aber nicht in Höhe von über 200 Millionen,“ ergänzt der Webasto-Chef.

Doch wie konnte es so weit kommen? Webasto hatte im Juli 2018 von Ford den Auftrag für mehrere Dachsysteme des Bronco erhalten. Das Modell, in den USA eine ähnliche Ikone wie der Jeep Renegade und seit dem vergangenen Jahr auf dem Markt, wird insgesamt in sechs Dachvarianten angeboten. Dazu zählen das Soft-Top, nach Angaben des Zulieferers das größte manuelle Cabrio-Verdeck der Welt, sowie verschiedene kombinierte Varianten mit Soft- und Hard-Top. Rund 200.000 Vorbestellungen für das Fahrzeug liegen vor. Über zwei Milliarden Euro Umsatz über die Laufzeit von acht Jahren will Webasto mit den Dächern umsetzen. Mehr als eine Millionen Dächer sollen bis dahin von den Bändern in Detroit und New Hudson rollen.

Nach dem Spatenstich des Werkes in Detroit im Juni 2019 sollten im August/September 2020 die Linien für die Dachproduktion stehen. Aber daraus wurde nichts. Erst im Januar 2021 wurde die letzte Linie im Werk Detroit fertiggestellt. Zum Produktionsstart im April 2021 lag Webasto auf Grund der Pandemie rund ein halbes Jahr hinter dem Zeitplan. Hinzu kamen zahlreiche weitere Probleme.

Engelmann spricht von einer „Verkettung von vielen unterschiedlichen Themen“. Mit der beim Bronco verwendeten Technologie für das Hard-Top hat der Zulieferer zwar grundsätzlich kein Neuland betreten, aber „wir haben diese innovative Technologie das erste Mal in die USA gebracht“. Webasto hatte die Paper-Honeycomb-Technologie bereits beim Jeep Renegade eingesetzt. Dort allerdings im Bereich Schiebedach. „Die Technologie ist uns also aus unserem Werk in Schierling grundsätzlich bekannt. Die Panels die wir beim Bronco einsetzen, sind aber wesentlich größer und die Stückzahl hat eine völlig andere Dimension“, erläutert Engelmann.

Zudem habe Webasto in Detroit komplett neue Strukturen aufbauen müssen und „das Werk hatte eine sehr steile Hochlaufkurve“, beschreibt er weitere Herausforderungen. Der Manager bedauert, dass der Zulieferer keine Möglichkeit gehabt habe, die Anlagen mit europäischen Kräften aufzubauen. „Zu der Zeit war aufgrund von Corona Einreisestopp in den USA. Wir haben erst sehr spät und mit extremem Aufwand überhaupt ein paar Leute ins Land bekommen.“

Zwar standen bis zu 200 Mitarbeiter aus anderen Regionen startbereit, „aber wir haben sie nicht ins Land hinein bekommen“. Es habe auch keine Möglichkeit gegeben, Mitarbeiter aus Mexiko einzufliegen. „Wir haben nur unter großen Schwierigkeiten Sondergenehmigungen für 20 bis 30 Leute bekommen. Das heißt, wir konnten noch nicht mal von außen unterstützen.“

Als Hauptproblem des Detroiter Werkes mit 700 Mitarbeitern erwies sich die Einführung neuer Prozesse. „Es war keine Zeit für Optimierungen, keine Zeit für Schulungen und Trainings.“ Wellige Dächer, hohe Ausschussraten, defekte Maschinen und fehlende Ersatzteile zählten zu den Folgen. „Das war nicht das, was wir hier von Europa gewöhnt waren“, erinnert sich Engelmann mit Schrecken. „Wir haben die schiere Größe des Projektes und das Risiko dahinter unterschätzt.“ Zudem hatte der Zulieferer mit einer hohen Fluktuation und schlechter Qualifikation der Mitarbeiter zu kämpfen.

Mittlerweile hat sich die Situation deutlich gebessert. „2021 war ein wahnsinnig schwieriges Jahr für uns. Am Ende haben wir es geschafft, die Produktion zu stabilisieren und wir sind heute in der Lage, qualitativ hochwertige Dächer aus dem Werk zu liefern. Wir haben in den USA jetzt eine gute Mannschaft und es geschafft, in weniger als einem Jahr ein zweites Werk hochzuziehen.“ Gemeint ist damit das neue Werk in New Hudson in der Nähe von Detroit. Die Entscheidung dort zusätzliche Kapazitäten aufzubauen, fiel im Juli 2021. Seit dem vergangenen Monat ist das Werk mit 400 Mitarbeitern vollständig ausgestattet.  

In diesem Jahr will Webasto noch rund 200 Millionen Euro in das Dach-Projekt investieren. Der Umsatz, der mit dem Bronco noch in diesem Jahr generiert wird, entspricht etwa 20 Prozent des Umsatzes von Webasto in der Region Americas. „Die Steigerung des USA-Umsatzanteiles ist strategisch vorteilhaft, um eine bessere Balancierung der verschiedenen Regionen hinzubekommen“, so Engelmann.

Insgesamt habe Webasto einige Lehren aus dem misslungenen Anlauf gezogen. Der Webasto-Chef will künftig viel mehr auf das Frontloading setzen, „auch wenn es am Anfang viel Geld kostet“. Auch durchgängig klare Verantwortlichkeiten für Projekt und Technik seien wichtig. Der Wechsel bei den Mitarbeitern habe zu einem Bruch der Informationen geführt.  

„Das Projekt hilft uns jetzt bei unserem Anlauf eines Batteriewerks in Korea. Wir haben eine neue Sensitivität für Produktanläufe diesen Ausmaßes“, so Engelmann. Einmal kann man sich so etwas erlauben, aber nicht ein zweites Mal. Heute rechnen wir stärker damit, das etwas schiefläuft. Wir sind auf das Unknown mehr vorbereitet.“

Am Ende habe es Webasto aus eigener Kraft hinbekommen, „das ist das Entscheidende“. „Ich hätte mir Anfang 2021 nicht erträumt dort zu stehen, wo wir heute stehen“, so Engelmann. „Ich weiß nicht, ob das so viele andere Lieferanten geschafft hätten.“ Geholfen habe dabei definitiv,“ dass Webasto ein Familienunternehmen ist“.

Mit dem Kunden Ford habe man „ein gemeinsames Modus Vivendi gefunden“. Weitere Details will er nicht nennen. Auch größere personelle Konsequenzen habe es bei Webasto nicht gegeben. (?) Doch die hohen Anlaufverluste schmerzen. „Es ist in Krisenzeiten natürlich nicht gut, wenn 200 Millionen Euro fehlen. Wir befinden uns beim Thema E-Mobilität auch in einer Transformation. Wir hätten die 200 Millionen gerne für andere Dinge investiert“, so der Vorstandschef. Allerdings sieht er keinen Grund, die bisherige Strategie zu verlassen.

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