Warum VW in China die Zeit wegrennt

Solide. So bezeichnet der Volkswagen-Konzern sein Abschneiden im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2023. In der dazugehörigen Pressemitteilung steht vieles, worüber sich das Management um den Vorstandsvorsitzenden Oliver Blume zu Recht freuen dürfte: Umsatzwachstum, Anstieg des operativen Ergebnisses – jedenfalls vor Bewertungseffekten –, hoher Auftragsbestand. Dass in dem Kommuniqué trotzdem nur von einem soliden Quartal die Rede ist und nicht etwa von einem guten, hat einen Grund: China.

Insgesamt hat sich Volkswagen im ersten Quartal bei den Auslieferungen weiter erholt: Global wurden 2,04 Millionen Autos an Kunden übergeben, 7,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Auch bei der weltweiten Fahrzeugproduktion steigerte sich der Konzern um 11,2 Prozent auf 2,3 Millionen Stück. In Kombination mit der "verbesserten Preispositionierung", wie Volkswagen seine angezogenen Verkaufspreise bezeichnet, kam ein Umsatzwachstum um 22 Prozent auf 76 Milliarden Euro zustande.

Vor Bewertungseffekten steigerte Volkswagen das operative Ergebnis von Januar bis März um 35 Prozent auf 7,1 Milliarden Euro. Die entsprechende operative Marge betrug 9,3 Prozent und befand sich damit oberhalb des Zielkorridors (7,5 bis 8,5 Prozent). Absicherungsgeschäfte im Materialeinkauf trüben das Bild jedoch: So sank das operative Ergebnis im Jahresvergleich von 8,3 Milliarden Euro auf 5,7 Milliarden Euro – ein Rückgang um 31 Prozent.

Laut Mitteilung betrugen die negativen, nicht zahlungswirksamen Effekte aus Rohstoffsicherungsgeschäften im ersten Quartal 1,3 Milliarden Euro. Im Vorjahresquartal hatte das operative Ergebnis noch von vergleichbaren Effekten aus Rohstoffsicherungsgeschäften in Höhe von 3,2 Milliarden Euro profitiert. Die operative Umsatzrendite belief sich im ersten Quartal 2023 auf 7,5 Prozent.

Weiter spricht Volkswagen von einer "Absatzerholung in Europa und Nordamerika". Erst auf der dritten Seite steht dann die vielleicht problematischste Kennziffer des Berichts: "Die Auslieferungen in China gingen im ersten Quartal um 14,5 Prozent zurück." China ist der mit Abstand wichtigste Markt, und Volkswagen ist in besonderem Maße abhängig von den dortigen Geschäften.

Erst kürzlich war bekannt geworden, dass die Kernmarke VW Pkw die Marktführerschaft in China an den einheimischen E-Auto-Hersteller BYD verloren hat. Ein schmerzhafter Rückschlag, zumal vor allem die Elektroautos von Volkswagen bei den chinesischen Kunden nicht besonders gut ankommen. Beobachter führen das unter anderem auf mangelnde Software- und Entertainmentfunktionen zurück, bei denen chinesische Rivalen zum Teil besser aufgestellt seien. Auf Markentreue wie bei Kunden in Deutschland kann sich Volkswagen in China jedenfalls nicht verlassen.

"Der Konzern ist zuversichtlich, dass sich die Auslieferungen in dieser Region aufgrund der erweiterten Modellpalette und China-spezifischer Technologie im weiteren Jahresverlauf erholen werden", heißt es dazu in der Pressemitteilung. Kurz und bündig.

Immerhin: Volkswagen hat einen mehrstufigen Plan ausbaldowert, wie der Bedeutungsverlust in China gestoppt werden soll. Bis 2026 sollen zehn neue E-Auto-Modelle angeboten werden. Auch eine China-Submarke für E-Autos im Premium-Segment ist in Planung, wie die Automobilwoche berichtete. Vorbild soll die betont emotionale Lifestyle-Konzernmarke Cupra mit dem Modell Tavascan sein, das ab Dezember ohnehin in China gebaut wird und dort unter einer anderen Marke laufen soll.

Darüber hinaus bringt sich Volkswagen mit einem neuen Entwicklungszentrum in Hefei in Stellung, mit dessen Hilfe neue Elektroautos bis zu 30 Prozent schneller und deutlich publikumsorientierter auf den Markt kommen sollen. Das Zentrum soll rund eine Milliarde Euro kosten, etwa 2000 Beschäftigte haben und Anfang 2024 den Betrieb aufnehmen.

Diese Maßnahmen zeigen, dass Volkswagen sein China-Problem als solches anerkennt. Das manifestiert sich nicht nur bei Antrieben und dem Absatz, sondern auch bei Zukunftsthemen wie Vernetzung und Infotainment. Bis die Maßnahmen greifen, bis zum Beispiel das Entwicklungszentrum messbare Verbesserungen bewirkt, kann es Jahre dauern, in denen sich Konkurrenten wie BYD, Nio, Xpeng und Co weiter im Markt etablieren. Die Uhr tickt.

Aus dem Datencenter:

Top 10 der Elektroautoverkäufe in China - 2021 und 2022