Teurer Streit um ein Milliarden-Geschäft

Während in Deutschland die durchschnittlichen Preise für ein neues Elektroauto im vergangenen Jahr weiter gestiegen sind, tobt in China eine gnadenlose Rabattschlacht. So verkaufte Volkswagen den ID.3 zeitweise unter 16.000 Euro, während er in Deutschland mit einem Listenpreis ab 40.000 Euro angeboten wird.

Trotzdem finden die Fahrzeuge aus China als Grauimporte bislang nicht den Weg auf den deutschen Markt. Es wäre ein Milliardengeschäft und würde die Preise in Europa extrem unter Druck setzen. Für Volkswagen und andere Hersteller ein Horrorszenario. Kein Wunder, dass es dies mit allen Mittel zu verhindern gilt.

In Hamburg geht die juristische Auseinandersetzung zwischen Autohändler Gregory Brudny und Volkswagen in die nächste Runde. Volkswagen hatte den Vertrieb von in China produzierten ID.6 per einstweiliger Verfügung in Deutschland gestoppt. Nun folgt das Hauptsacheverfahren.

"Verloren haben wir bisher nur das Verfahren in der ersten Instanz gegen die einstweilige Verfügung zur Beschlagnahmung der Fahrzeuge, wogegen wir Berufung - aus unserer Sicht mit besten Chancen - eingelegt haben", sagte Brudny der Automobilwoche.

Es geht um 22 ID.6, gebaut in einem Werk des Joint Venture FAW-VW in China. Laut Brudny wurden die Fahrzeuge in China von einem autorisierten VW-Händler erworben. Er selbst bekam sie von der tschechischen Firma Espanolak mit der Möglichkeit, sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu verkaufen. Die Autos seien laut chinesischem Fahrzeugbrief für den Export vorgesehen gewesen und technisch entsprechend den Forderungen des Kraftfahrt-Bundesamts angepasst worden.

Seit dem ersten Halbjahr 2022 bot Brudny sie zum Verkauf auf den großen Plattformen an. Spätestens seit dem zweiten Halbjahr hatte Volkswagen demnach Kenntnis davon, so Brudny. Den Antrag bei Gericht reichte Volkswagen am 16. Februar 2023 ein. "Angesichts des Zeitraums von fast einem Jahr ist es unerklärlich, dass Volkswagen mich weder informiert hat noch auf mich zugekommen ist, sondern die Fahrzeuge ohne jede Vorwarnung beschlagnahmt wurden", sagt Brudny. Die Fahrzeuge will Volkswagen nun verschrotten lassen.

Konkret will sich der Konzern zu dem entsprechenden Fall nicht äußern. "Die für und in China produzierten und dort verkauften ID-Modelle sind aufgrund ihrer Hard-und Softwarekonfiguration im europäischen Raum nicht zulassungsfähig", sagt ein VW-Sprecher. "Sie unterscheiden sich technisch deutlich von den Versionen für den europäischen Markt." Beispiele seien das Hochvolt-Batteriesystem und Teile der Fahrzeugsoftware.

Volkswagen verweist auf den Schutz von Kunden sowie seiner Handels- und Servicepartner. "Daher sollen nicht autorisierte Parallelimporte im vertraglich autorisierten Geschäft mit der Marke Volkswagen weder gekauft, vertrieben noch an die hiesigen Marktgegebenheiten angepasst werden", so der Sprecher.

"Die Homologation ist in der Regel eine beherrschbare Größe, da man die Fahrzeuge in Deutschland ja auch kennt. Das Problem sind Markenrechte und Garantie", bestätigt Ansgar Klein, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands freier Kfz-Händler. "Hinzu kommt meist ein deutlich niedrigerer Marktpreis, weil alle kaufentscheidenden Informationen offenbart werden müssen." Der Verband warnt seine Mitglieder vor den Risiken solcher Geschäfte. Nicht zuletzt mit Blick auf bereits gefällte Urteile.

Im jahrelangen Markenrechtsstreit um Parallelimporte gab der Bundesgerichtshof im Mai 2021 dem Autobauer Hyundai recht. In den Jahren zuvor kamen große Volumen aus osteuropäischen Nicht-EU-Ländern nach Deutschland. Zunächst tolerierte Hyundai die Importe, doch als es zu viele wurden, machten die Südkoreaner ihr Markenrecht geltend.

Aus dem Datencenter:

Umfrage zu Grauimporten in Russland 2022