Warum Teslas Strategie bei der Ladetechnik aufgeht

Am Ende konnte auch Mercedes-Chef Ola Källenius nicht widerstehen. Ende vergangener Woche verkündete das Unternehmen, in den USA seinen Kunden Zugang zum Supercharger-Netzwerk von Tesla zu ermöglichen. Ab 2025 werde der NACS-Standard in den Fahrzeugen eingebaut, ab 2024 soll ein Adapter beigelegt werden. "Um den Umstieg auf Elektrofahrzeuge zu beschleunigen, möchten wir unseren Kundinnen und Kunden das bestmögliche Fahrerlebnis mit ihren Elektroautos bieten – einschließlich schneller, bequemer und zuverlässiger Ladelösungen", so Källenius.

Während Tesla in anderen Ländern die Nutzung der Tesla-App zur Voraussetzung macht, ist dies in den USA nicht der Fall. "Mercedes-Fahrer sehen Tesla Supercharger auf der Karte im Fahrzeug und in der App, einschließlich Verfügbarkeitsstatus und Ladepreis. Sie können nahtlos auf die Ladestationen zugreifen und automatisch für ihre Ladevorgänge über den Mercedes me Charge Service bezahlen", so eine Mercedes-Sprecherin. Die Supercharger werden zudem mithilfe der "Electric Intelligence" Funktion in die Navigation integriert, die eine bequeme und zeiteffiziente Route inklusive Ladestopps errechnet.

Die Stuttgarter befinden sich mit diesem Schritt in bester Gesellschaft. Im Wochentakt hatten zuvor bereits Teslas US-Konkurrenten Ford und General Motors eine Übernahme von NACS angekündigt, ebenso wie das Start-Up Rivian, das Transpoter und Pick-ups baut. Auch der Volkswagen-Konzern prüft nach eigenen Angaben den Zugang zu Superchargern zu ermöglichen und ist in fortgeschrittenen Gesprächen mit Tesla. Hyundai oder Stellantis erwägen ebenfalls eine Intergration des Netzwerks für die Kunden. Bei BMW ist eine Entscheidung noch nicht gefallen. Man verfolge die Diskussion aufmerksam, so ein Sprecher gegenüber der Automobilwoche auf Anfrage.

Um die plötzliche Annäherung an den Konkurrenten zu verstehen, lohnt ein Blick auf den Elektromarkt in den USA. Der wird bisher eindeutig dominiert von Tesla. Nach Angaben des Datenanalysten Counterpoint kam Tesla im Jahr 2022 auf einen Marktanteil von knapp 51 Prozent, den Rest mussten sich alle anderen Hersteller teilen. Hyundai und Kia liegen bei 7,8 Prozent, Ford bei 7,6 Prozent, Stellantis bei 7,0 Prozent und VW bei 5,2 Prozent. Die Premiumhersteller wie Mercedes, Audi oder BMW sind weit abgeschlagen.

Das Problem ist weniger die Kauflust als die Versorgung mit Strom. "Der Mangel an öffentlicher Ladeinfrastruktur war in den letzten zwölf Monaten das größte Hindernis für Verbraucher bei der Einführung von Elektrofahrzeugen", heißt es etwa in einem Bericht von J.D. Power. Die amerikanische Energiebehörde IAE beklagt, dass die Zahl der langsamen Ladestationen 2022 nur um neun Prozent zugenommen habe, das geringste Wachstum in den großen Märkten.

Bei den Schnellladern mit 150 Kilowatt Leistung und mehr kamen im Jahr 2022 zwar 6300 neue Stationen hinzu. Drei Viertel davon waren aber Supercharger von Tesla. Ende 2022 gab es insgesamt 28.000 Schnelllader, rund 17.000 sind Teil von Teslas Netz. Zum Vergleich: Im viel kleineren Deutschland gibt es aktuell 16.000 Schnellladepunkte.

Ein weiterer Punkt ist die Zuverlässigkeit der Stationen entlang der Highways. Rund 21,6 Prozent der Elektrofahrzeugfahrer, die öffentliche Ladestationen anderer Hersteller nutzten, bemerkten laut J.D. Power im ersten Quartal dieses Jahres, dass sie ihr E-Auto nicht laden konnten. Dagegen berichteten im gleichen Zeitraum nur etwa 3,9 Prozent der Tesla-Fahrer, die das Supercharger-Netzwerk nutzten, über Probleme dieser Art. "Wenn es um Zuverlässigkeit geht, kommt kein anderer Anbieter auch nur annähernd an Tesla heran", betont der J. D. Power-Bericht.

Damit hat sich Elon Musks Strategie des eigenen Ladenetzes endgültig ausgezahlt. Zwar musste der Tesla-Chef in den vergangenen Jahren Milliarden in den weltweiten Aufbau der Supercharger stecken. Aber ohne diesen Schachzug wäre Tesla wohl heute kaum in einer derart dominanten Position bei der Elektromobilität. Vor allem in den USA greifen viele Kunden nur deshalb zu Model 3 oder Y, weil sie dann auch unterwegs mit einer einigermaßen zuverlässigen Energieversorgung rechnen können. Nun hat Musk es auch geschafft, NACS als faktischen Standard in Nordamerika zu etablieren.

Dass andere Hersteller nun davon profitieren, liegt vor allem an der Förderpolitik der US-Regierung. Diese hat zwar den CCS1-Stecker zum Standard erkoren und stellt für den Aufbau eines Ladenetzes mit 500.000 Schnellladern bis 2030 rund 7,5 Milliarden US-Dollar bereit. Am Ende sah sich die Regierung aber durch die Dominanz von Tesla gezwungen, auch NACS zu akzeptieren. Um ebenfalls in den Genuss einer Förderung zu kommen, verpflichtete sich Tesla, seine Ladestationen für andere Hersteller zugänglich zu machen. Dabei handelt es sich um 12.000 Supercharger in den USA; Kanada und Mexiko.

Dennoch ist beim Ladenetz in den USA noch viel Spielraum in den kommenden Jahren. So hat auch der Volkswagen-Konzern mit Electrify America ein Schnellladenetz etabliert. Dies soll in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden. General Motors will flächendeckend eigene Stationen errichten. Und auch Mercedes will sich nicht gänzlich auf Tesla verlassen. Anfang des Jahres verkündeten die Stuttgarter auf der CES, dass sie weltweit mit Partnern in ein eigenes Ladenetz investieren wollen. Rund 400 Ladestationen und mehr als 2.500 Ladepunkte sollen es bis zum Ende des Jahrzehnts sein. Die ersten Ladestationen in Nordamerika werden Ende 2023 eröffnet und sowohl mit CCS1- als auch mit NACS-Steckern ausgestattet sein.

Aus dem Datencenter:

Generals Motors Ladenetz für die USA