Gerade hat Daimler seine Factory 56 eröffnet. Ist das dort verwendete Konzept der TecLines die Umsetzung der von Ingenics propagierten Schwarmfertigung, also einer Mischung aus Fließband- und Inselfertigung?
Die Factory 56 ist bestimmt eines der Referenzproduktionssysteme in der Automobilwelt. Dort sollen nun auch E-Fahrzeuge und Verbrenner gemeinsam gebaut werden. Es ist gelungen, verschiedene Produktkomplexitäten in einem Fertigungssystem abzubilden– die Taktzeitspreizung ist weitgehend vermieden worden und kommt damit dem Ziel der Schwarmmontage schon sehr nahe.
Schafft die Digitalisierung in Produktion und Logistik neue Geschäftsmodelle für Maschinen- und Anlagenzulieferer?
Ja, das Gesamtkonzept der smarten Fabrik kann nur funktionieren, wenn die Zulieferer ihre Anlagen und Maschinen weiter digitalisieren und somit die Potenziale der verfügbaren Daten heben. Beispiele hierfür sind die vorbeugende Instandhaltung und die Qualitätsabsicherung.
Aber werden nicht zumindest die großen Automobilhersteller solche Aufgaben in die eigene Hand nehmen, sodass die Lieferanten nach dem Aufstellen der Anlage aus dem Spiel sind?
Wir können noch nicht absehen, welche Variante sich durchsetzen wird, oder ob nicht vielleicht beide parallel existieren werden. Die großen Automobilhersteller wollen ja ihre Anlagen in verschiedenen Werken vernetzen und Lerneffekte an einem Standort direkt auf alle Werke übertragen. Da sie zudem viel IT-Know-how haben, kann es gut sein, dass sie alle Daten selbst handeln und etwa vorausschauende Wartung in Eigenregie managen – ohne den Anlagenlieferanten in die Datenauswertung einzubeziehen. Anders könnte es bei kleinen und mittleren Zulieferern sein, die über weit weniger Maschinen, Standorte und Know-how verfügen. Für sie wäre es vermutlich deutlich attraktiver, die Kompetenzen des Anlagenlieferanten zu nutzen, der ja Know-how aus seinem ganzen Maschinenpark einbringen kann.
Das klingt, als ob im Bereich der Produktion von Automobilherstellern und -zulieferern die Plattformökonomie zunächst einmal keine große Rolle spielten dürfte.
Die Absicherung der Supply Chain über Plattformen wurde schon vor über zehn Jahren erprobt. Wir sehen nun zwar die ersten Ansätze, aber die Umsetzungen kommen nur langsam voran. Umfangreichere Durchdringungen sehen wir derzeit bei sogenannten Maintenance Plattformen, auch wenn diese – wie eben bereits erwähnt – teilweise nur unternehmensintern aufgebaut werden.
In der Corona-Krise wurden – wie schon nach Fukushima – komplexe internationale Lieferketten infrage gestellt, weil sie zu verletzlich seien. Wird die Automobilindustrie hier die Strategie ändern?
Wie bereits bei Fukushima werden die Unternehmen als Reaktion auf die Corona-Krise alternative Liefernetzwerke und Versorgungstrategien für wenige strategische Bauteile aufbauen, allerdings wird die weltweite Produktionsverteilung weiterhin bestehen bleiben.
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