ZDK-Vize Peckruhn: "Die Preisentwicklung ist absoluter Wahnsinn"

Neuwagen sind wieder zu haben. Die Lieferzeiten normalisieren sich. Doch die Privatkunden sind weiter zögerlich. Der Skoda-Händler und Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) Thomas Peckruhn führt dies unter anderem auf einen Mangel an günstigen Volumenmodellen zurück.

Herr Peckruhn, seit knapp einem Jahr kaufen Verbraucher kaum Neuwagen. Wie sieht es bei Gebrauchten aus?

In den vergangenen Jahren waren Gebrauchtwagen bedingt durch die Pandemie, fehlende Chips und gerissener Lieferketten ein rares Gut. Weil die Neuwagen fehlten, kam bei den Gebrauchten nichts nach. Seit sich die Situation bei vielen Marken entspannt hat, stehen auch wieder mehr Gebrauchte zur Verfügung.

Welche Folgen hat das?

Wir kehren schrittweise zu einer Normalisierung des Markts zurück. Der Preis-Peak bei Gebrauchten ist überschritten, die Preise kommen unter Druck. Nach dem Sommerloch kommt das Interesse der Kunden zum Teil wieder zurück. Das spüren wir an den Leads, von denen deutlich mehr bei uns eingehen. Es ist Interesse da. Wir können durchaus Geschäfte generieren. Wenn die Kundennachfrage zurückkommt, stehen wir aber vor einem ganz anderen Problem.

Vor welchem?

Es fehlen günstige Fahrzeuge. Wir hatten in den vergangenen Jahren eine rasante Preisentwicklung. Innerhalb von drei Jahren sind Kompaktwagen um 30 Prozent teurer geworden. Das ist der absolute Wahnsinn. Die Kunden sind nur noch teilweise bereit, die Preise zu zahlen.

Trifft das nur Neuwagen oder auch Gebrauchte?

Beide. Mit jedem Monat gewinnt die Entwicklung mehr Bedeutung für den Gebrauchtwagenmarkt. Jetzt kommen die Fahrzeuge von 2018 bis 2022 zurück. Da waren die Preissprünge noch nicht ganz so hoch. Je jünger die Fahrzeuge, desto schwieriger wird es. Zumal den Verbrauchern Alternativen in Form von kleineren Fahrzeugen fehlen.

Wie konnte es zu diesem Mangel an Alternativen kommen?

Aufgrund der Entwicklung der vergangenen Jahre haben viele Hersteller ihr Portfolio zusammengestrichen. Die Volumensegmente sind ausgedünnt. Wir haben kein A0-Segment mehr. Und Elektroautos sind für Kunden preislich unattraktiv. Die Verbraucher sind verunsichert. Laut einer Studie würden 23 Prozent ihr Elektroauto nicht weiterempfehlen.

Bislang gibt es noch den Umweltbonus in Deutschland.

Die Förderung von 9000 Euro hat die Preisunterschiede zwischen Verbrenner und Elektroauto kaschiert. Aber die Regierung hat klar kommuniziert, dass es künftig keine Förderung mehr gibt. Dann lässt das Interesse der Verbraucher an E-Autos weiter nach. Es gibt derzeit fast nichts unter 35.000 Euro. Günstige Autos wie der ID.2 kommen frühestens 2026. Die Entwicklung spitzt sich durch weitere politische Regulierungen zu.

An welche politischen Vorgaben denken Sie genau?

Wenn die Euro-7-Norm wie geplant 2025 kommt, lohnt sich für viele Hersteller kein kleiner Kompakter mehr. Bei Skoda haben wir einen brandneuen Fabia, der gut läuft. Kommt Euro 7, fliegt er raus, und bei VW gibt es noch keine Alternative.

Hilft das, den Gebrauchtwagenmarkt für Elektroautos in Schwung zu bringen?

Wenn der Preis stimmt, laufen Elektroautos als Gebrauchte auch jetzt schon gut. Entscheidend ist, wie der Hersteller die Fahrzeuge eingepreist hat. Bei Skoda haben wir beispielsweise keine Probleme. Wir haben Ende 2022 Elektroautos im Kurzzeitleasing zugelassen, die nun zurückkommen. Diese sind gefragt, weil der Preis stimmt. Dabei hat uns natürlich die volle Förderung geholfen, die Anfang 2023 gesenkt wurde.

Bei welchen Fabrikaten gibt es mit gebrauchten Elektroautos Probleme?

Hersteller, die bereits sehr früh mit ihren Elektroautos am Markt waren, haben die Fahrzeuge zum Teil mit zu hohen Restwerten angesetzt. Das bereitet vielen großen Autohandelsgruppen nun Schwierigkeiten. Wenn Hersteller den Absatz pushen, zum Beispiel über günstige Leasingraten, sind häufig die Restwerte zu hoch angesetzt. Das fällt einem später wieder auf die Füße.

Die Entwicklung sehen wir derzeit im Neuwagenmarkt. Nach und nach gibt es günstigere Angebote. Kommen die Preise zurück wie vor den Krisen?

Die aktuelle Situation ist mit der Zeit vor der Pandemie nicht vergleichbar. Der Markt ist ein völlig anderer. Bei einigen Herstellern hapert es noch bei den Auslieferungen, andere haben hier keine Probleme mehr. Einige Hersteller haben bereits auf das Agenturmodell umgestellt, da können Händler nicht mehr an den Preisen drehen.

Die zunehmenden Angebote deuten auf kleinere Auftragsbestände der Hersteller hin. Wie ist die aktuelle Situation?

Das hängt vom jeweiligen Fabrikat ab. Bei vielen Herstellern sind die Bestände Ende des dritten, spätestens Anfang des vierten Quartals abgebaut. Und es kommt nichts nach. Große Gruppen berichten von Auftragseinbrüchen von bis zu 50 Prozent. Es gibt keine offiziellen Zahlen, aber im Durchschnitt dürften sie bei etwa einem Drittel liegen. Das zeigt sich bald bei den Neuzulassungen.

Welche Entwicklung erwarten Sie für die nächste Zeit?

Wir haben vielleicht noch zwei, drei gute Monate. Ende August ist bei den gewerblichen Kunden die staatliche Förderung ausgelaufen. Hier gab es einige Vorzieheffekte. Nun folgt der Einbruch.

Wegen der schlechten Lieferfähigkeit haben Autohäuser zum Teil große Volumen bestellt. Jetzt kommen die Fahrzeuge, aber die Kunden bleiben aus. Das droht ihnen nun auf die Füße zu fallen. Haben sich einige Händler verspekuliert?

Das kann sich zu einem Thema für die Branche entwickeln. Es gibt einige Hersteller, die es ihren Partnern nochmals ermöglichen, ihre Lagerwagenbestellung zu korrigieren. Die Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Monaten ja komplett geändert. Ich glaube, dass es bei den meisten Fabrikaten Möglichkeiten gibt, die Jahresziele anzupassen.

Wie wirken sich die in Deutschland zuletzt schnell und stark gestiegenen Zinsen auf das Geschäft der Händler aus?

Wir hatten in den vergangenen Jahren eine Sondersituation. Das Geld war günstig, und die Bestände aufgrund der schwierigen Liefersituation gering. Wir kehren jetzt zunehmend zur Normalität zurück. Um die Inflation zu bekämpfen, hat die Europäische Zentralbank die Zinsen in kurzer Zeit stark angehoben. Entsprechend haben sich die Konditionen bei der Einkaufsfinanzierung drastisch geändert. Bei einigen Herstellern haben sich die Zinsen mehr als verdoppelt. Das ist für die Autohausgruppen mit großen Beständen eine besondere Herausforderung. Für die Branche ist das ein großes Thema.

Während beim selektiven Vertrieb der Händler die Kosten für die Einkaufsfinanzierung trägt, ist es beim Agenturvertrieb der Hersteller. Ist das System für Händler doch gar nicht so schlecht?

Es gibt Händler, die jetzt durchaus offener für das Agentursystem sind. Aber die Finanzierung ist nur ein Aspekt. Durch den Agenturvertrieb verlieren wir Händler massiv an Flexibilität. Mit dem Agenturmodell regiert der Hersteller sowohl ins Neuwagen als auch ins Gebrauchtwagengeschäft hinein. Für mich gilt: Je weniger sich der Hersteller einmischt, desto besser. Wir Händler sind einfach näher dran am Kunden.

Aus dem Datencenter:

B2B-Preisentwicklung für Gebrauchtwagen 2015 bis 2023

Preisentwicklung von Pkw in Deutschland (2013 bis 2022) und die Folgen