Porth: Die IT spielt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung und Gestaltung der geplanten Expansion in allen unseren Geschäftsbereichen von den Pkw, den Lkw und Vans bis zu den Bussen. Auf der einen Seite organisieren wir mit Hilfe der IT das Wachstum im Kerngeschäft und nutzen sie für neue Geschäftschancen durch die Vernetzung des Fahrzeugs oder neue Services wie das CarSharing Car2go. Auf der anderen Seite leistet die IT ihren Beitrag zum angestrebten Effizienzfortschritt. Hier gilt es zum Beispiel, die historisch gewachsene Systemlandschaft zu vereinfachen.
Daimler spart IT-Kosten durch Insourcing
Gorriz: Wir arbeiten daran, die Eigeneffizienz zu verbessern. Das heißt, wir wollen den Preis pro erbrachter Einheit in unserer eigenen IT senken. Dazu gehört zum Beispiel, die Anzahl der Applikationen im Konzern bis 2015 um 40 Prozent gegenüber dem Ausgangsjahr 2008 zu reduzieren. Wir haben mit 5200 Applikationen angefangen und sind nun bei über 4600. Das Ziel ist, auf 3000 bis 3200 Applikationen zu kommen. Im Idealzustand hätten wir für einen Prozess ein System. Tatsächlich ist so ein Zustand natürlich nicht zu schaffen. Außerdem sind inzwischen mit den vernetzten Fahrzeugen, neuen Dienstleistungen und Geschäftsmodellen zusätzliche Anforderungen entstanden, die es bei Start des Projekts noch gar nicht gab.
Porth: Wir wollen bei den laufenden Kosten für die IT-Landschaft hohe Einsparungen erzielen, um dieses Geld in neue Systeme und Services zu investieren. Trotz unseres Wachstums sollen die IT-Kosten insgesamt nicht steigen. Das haben wir in den letzten Jahren schon mehr als erreicht. Der Daimler-Konzern hatte einmal ein IT-Budget von zwei Prozent vom Umsatz. Heute liegen wir mit 2,1 Milliarden Euro bei 1,8 Prozent - und das obwohl wir massiv investiert haben. Wir werden weitere Kostensenkungen realisieren, zum Beispiel indem wir ein eigenes Kompetenzzentrum im SAP-Bereich aufbauen.
Gorriz: Das ist Teil das sogenannten Save for Growth-Projektes, das gezielt bestimmte IT-Dienstleistungen, die heute zu hundert Prozent an Dienstleister vergeben sind, wieder ins Unternehmen zurückholt. Dazu gehört, dass wir alle SAP-Systeme im Konzern wieder in Eigenregie betreiben und weiterentwickeln. Das Projekt umfasst auch die Roll-out-Kompetenz für Applikationen, die Konsolidierung der Data-Center und das Management der Endgeräte an einem Arbeitsplatz.Gorriz: In Deutschland wollen wir unseren Mitarbeiter-Stamm stabil halten. Die neuen Kapazitäten entstehen vor allem in Indien in unserem neuen Entwicklungs- und IT-Zentrum, wo wir insgesamt 1500 IT-Spezialisten beschäftigten wollen, davon entfallen 700 Mitarbeiter auf das SAP-Kompetenzzentrum. Dazu kommt der Ausbau der IT-Aktivitäten in der Türkei.
Porth: Bis Ende 2016 haben wir uns eine Kostensenkung von 150 Millionen Euro zum Ziel gesetzt. Wir sind gut unterwegs, dieses Ziel auch zu erreichen.
Gorriz: Bei heutigen Kosten von 600 Millionen Euro für die genannten vier Bereiche bedeutet das eine Einsparung von 25 Prozent. Klar ist aber auch, dass wir bei Großprojekten weiter Dienstleister beauftragen und in manchen Feldern direkt zu SAP gehen.Porth: Die Wertschöpfungstiefe von Daimler ist generell höher als bei anderen Herstellern. In der IT liegen wir aber unter unseren direkten Wettbewerbern und auch unter anderen vergleichbaren Industrieunternehmen. Das entscheidende ist doch, dass wir nur dort eigene IT-Kapazitäten aufbauen wollen, wo es um die Kernprozesse eines Autoherstellers geht. Diese Felder sind die Stellhebel für unser Geschäft und die müssen wir beherrschen.
Gorriz: Wir haben festgestellt, dass der Wechsel von IT-Providern sich nicht nur negativ auf die Qualität auswirkt, sondern auch ganz schön viel Geld kostet. Deshalb kann man mit einem eigenen SAP-Competence-Center in Indien durchaus Kosten sparen. Wir wollen aber nur dort dabei sein, wo es um Innovationen geht und wir uns strategische Vorteile erhoffen. Standarddienste wie E-Mail werden wir weiter am Markt einkaufen.Gorriz: Wir beginnen im August und übernehmen nach und nach jedes SAP-System von den Dienstleistern. Bis Ende 2015 sollen alle in unserer eigenen Hand sein. Wir haben heute einen Eigenanteil in der IT von 25 Prozent und werden auf maximal 35 Prozent gehen.
Porth: An diesem Thema arbeiten wir: Vor kurzem haben wir die IT-Abteilungen von Mercedes-Benz Cars, Daimler Trucks, den Vans und den Bussen zusammengelegt. Das gibt es auch für die Holding und Finance sowie das Personalwesen.
Gorriz: Ausgangspunkt ist der Geschäftsprozess, den wir möglichst einheitlich gestalten wollen. Dazu kommen dann die Ansprechpartner in den Fachbereichen, wenn es um die konkrete Umsetzung geht.Porth: Wir haben natürlich noch immer zwei Bereiche: die Fahrzeugentwicklung und die IT-Abteilung. Allerdings gibt es seit letztem Sommer das so genannte Projekthaus Connected Vehicle, in dem die Fahrzeugentwicklung mit Vertrieb und Marketing, dem Aftersales und der IT zusammenarbeitet. Dadurch kommen mit dem Start jeder neuen Baureihe innovative Funktionen und Dienste ins Fahrzeug.