München. Der Siegeszug des Elektroautos scheint unaufhaltsam. Laut einer Prognose des Center Automotive Research an der Fachhochschule Gelsenkirchen (CAR) werden ab dem Jahr 2025 in Europa alle neu zugelassenen Autos nur noch mit Hybrid- oder reinen Elektroantrieben ausgestattet sein. Schon in zwei Jahren sollen kostengünstigere und leistungsfähigere Batterien Elektroautos zu einem Massenphänomen werden lassen. Nach Berechnungen von CAR wird die Anzahl der verkauften Hybrid- und Elektroautos in der Europäischen Union von 80.000 im laufenden Jahr bis auf dann 16,2 Millionen im Jahr 2025 ansteigen. Für Wolfgang Bernhart, Automobilexperte bei der Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants, ist es allerdings noch völlig offen, „welcher Anteil der Fahrzeuge rein elektrisch betrieben wird und welcher über einen sogenannten Range Extender verfügt, der eher bei großen Fahrzeugen eingesetzt wird“.
Unter einem Range Extender wird ein zusätzlicher Verbrennungsmotor verstanden, der ähnlich wie beim E-Flex-Konzept von General Motors primär dazu dient, als Generator die Batterie wieder aufzuladen. Anjan Hemanth Kumar, Research- Analyst bei der Unternehmensberatung Frost & Sullivan, erwartet, dass „die Fahrzeughersteller in sämtlichen Kundensegmenten konkurrieren werden – von Economy bis Premium. Die Preise für ein Elektroauto werden zwischen 11.000 und 348.000 Euro liegen, lautet seine Prognose. Ein Vorbote der künftigen Generation von Elektrofahrzeugen ist der Tesla Roadster. Der Sportwagen aus Kalifornien soll in Europa im Frühjahr 2009 auf den Markt kommen. Seine Energie schöpft das Auto aus über 6800 Laptop-Akkus. Bis zum Frühjahr soll die Produktion von zehn Fahrzeugen pro Woche auf 40 pro Woche ansteigen. Für die ersten 250 Autos aus der „Signature Edition“ verlangt Tesla bei Vertragsabschluss eine Anzahlung von 50.000 Euro. Bei Auslieferung des Wagens sind dann weitere 49.000 Euro plus Steuern zu zahlen.
Mittlerweile liefern sich auch die namhaften Fahrzeughersteller ein Wettrennen um das erste serienreife Elektroauto, das mehr als 100 Kilometer Reichweite hat. Volkswagen will nach Angaben des Vorstandschefs Martin Winterkorn 2010 gar als erster Anbieter eine Großserienlösung bei Elektroautos anbieten. „Wir müssen die Ersten sein, die eine abgasfreie, sichere, preiswürdige Großserienlösung bieten“, so der Konzern-Lenker. General Motors-Chef Rick Wagoner hatte zuvor schon angekündigt, im Herbst 2010 den Chevrolet Volt auf den Markt zu bringen. Doch die fortschrittliche Technik gibt es nicht zum Nulltarif. Carl-Peter Forster, Europa-Chef des Opel-Mutterkonzerns GM, weist darauf hin, dass Opel-Kunden ab 2012 für den Kauf eines Elektroautos mehr bezahlen müssen als für vergleichbare Benzin- oder Dieselmodelle. Möglicherweise werde der Verkaufspreis bis zu 10.000 Euro über einem vergleichbaren Modell mit konventionellem Antrieb liegen. Die geplanten Elektroautos werden zunächst in den USA von den Bändern rollen und dann nach Europa geliefert.
Doch auch die europäischen GM-Werke könnten laut Forster von einer erhöhten Nachfrage nach solchen Autos profitieren: „Es können sich nahezu alle Standorte Hoffnungen machen, eines Tages Elektrofahrzeuge zu produzieren, da diese Baukastenelemente bestehender Modelle nutzen.“ Allerdings könnte der Autofahrer den Fahrzeugherstellern auch einen Strich durch die Rechnung machen. „Zumindest im Volumensegment liegt die Schmerzgrenze beim Aufpreis für eine saubere Antriebstechnologie in Deutschland im Schnitt bei 2000 Euro pro Fahrzeug“, glaubt Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche. Der Manager kündigte ebenfalls für 2010 einen serienreifen Elektromotor an. Dieser soll nicht nur im Smart, sondern auch in Fahrzeugen der Marke Mercedes-Benz zu finden sein. Laut Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber eigneten sich dafür die A- und die B-Klasse von Mercedes. Diese Modelle seien wegen ihres Sandwichbodens besonders für alternative Antriebe prädestiniert. Und BMW hat vor einigen Wochen mit der Nachricht überrascht, im Herbst eine Kleinserie Elektroautos auf den Markt bringen zu wollen. 500 Autos der Konzerntochter Mini, angetrieben von Lithium-Ionen- Batterien, sollen vor allem in den Metropolen für Furore sorgen.
Doch damit werden sich die Münchner nicht begnügen. Unter dem Namen Project I verfügt der Autobauer über eine 100 Mitarbeiter starke Entwicklertruppe, die die Perspektiven des Elektroantriebs auslotet. Unabdingbar für eine stärkere Verbreitung von Elektrofahrzeugen sind sinkende Preise für Lithium-Ionen- Batterien. Zu deren großen Kostenblöcken zählen Fachleute etwa die Leistungselektronik und die Kühlungstechnik. Unternehmensberater Bernhart geht davon aus, dass 2010 zwar noch etwa mit 400 bis 500 Euro pro Kilowattstunde gerechnet werden muss. „Für das Jahr 2020 erwarte ich aber Kosten in Höhe von 200 bis 300 Euro pro Kilowattstunde.“ Nach einer Modellrechnung seines Hauses soll ein Elektrofahrzeug 2020, gerechnet über den Lebenszyklus, kostengünstiger sein als ein vergleichbares Auto mit Verbrennungsmotor. Bei Renault ist man gar zuversichtlich, dass sich das Elektroauto bis 2013 rechnen wird. „Die Kosten der Bauteile werden sinken und der Wert der Fahrzeuge ohne Schadstoffausstoß steigen. Dadurch werden solche Projekte rentabel“, so Markenchef Patrick Pélata.
Mercedes-Benz wird im kommenden Jahr in der S-Klasse erstmals in einem Mild Hybrid eine Lithium- Ionen-Batterie einsetzen. Entwicklungspartner ist Continental. Auch andere Zulieferer haben die Batterietechnik als Zukunftsfeld für sich entdeckt. Bei Bosch ist man sogar davon überzeugt, dass in der Herstellung solcher Energiespeicher der Schlüssel für das Wachstum von Bosch bei Hybridsystemen liegt. So gaben die Stuttgarter im August eine Kooperation mit dem südkoreanischen Elektronikkonzern Samsung bekannt. Im Jahr 2010 wird Bosch die Fertigung einzelner Batteriezellen aufnehmen und ein Jahr später mit der Produktion von Batteriesystemen, den sogenannten Powerpacks, starten. Die Schwaben hatten sich unter anderem für Samsung als Partner entschieden, weil die Japaner einer der Marktführer bei Lithium-Ionen- Akkus im Consumerbereich sind. Laut Bernd Bohr, Vorsitzender des Unternehmensbereichs Kraftfahrzeugtechnik, wollte Bosch zudem keine unternehmerische Verbindung mit einem einzelnen Fahrzeughersteller eingehen. Die Stuttgarter rechnen damit, dass im Jahr 2015 weltweit 2,5 bis drei Millionen Neufahrzeuge mit einem Hybridantrieb ausgestattet sind. Daneben rechnet der Zulieferer mit bis zu 800.000 reinen Elektrofahrzeugen.
Spürbare Auswirkungen werden Elektroantriebe vor allem auf traditionelle Zulieferer aus dem Bereich Antriebsstrang haben. Dabei geraten die Lieferanten gleich von zwei Seiten unter Druck: weil Motoren- und Getriebekomponenten wegfallen und weil die Autobauer das wachsende Geschäft mit Batterien und Elektromotoren zu einem großen Teil für sich beanspruchen dürften, vermuten Branchenkenner. „Die Batterie und der Elektromotor sind für uns keine Commodities, die wir einkaufen wollen. Wenn man diese Komponenten von Dritten bezieht, muss man Kompromisse eingehen, die sich vielleicht ein Volumenhersteller leisten kann, nicht aber ein Premiumanbieter wie wir“, erläutert der oberste Powertrain-Entwickler bei Daimler, Herbert Kohler.
Mitentscheidend für den Erfolg der Elektrofahrzeuge wird auch eine funktionierende
Infrastruktur sein. „Die Technologie steht in den Startlöchern“, sagt Daimler-Chef Zetsche. Jetzt sei es an der Zeit, dass auch Energieversorger und Mineralölkonzerne ihr Engagement unter Beweis stellen. Unternehmensberater Bernhart ist beim Thema Infrastruktur jedenfalls zuversichtlich: „Es steht bereits eine ganze Reihe von Energieversorgern und anderen Unternehmen in den Startlöchern, um eine flächendeckende Infrastruktur zum Aufladen der Batterien aufzubauen.“ So beteiligt sich der Energieversorger EON etwa an einem Flottenversuch von Volkswagen. Attraktiv ist der neue Markt laut Bernhart allein schon deshalb, weil die Versorger den notwendigen Energiebedarf aus den ohnehin vorhandenen Nachtstromkapazitäten decken können und die Investitionen in Aufladestationen überschaubar sind.