"Die Autobranche ist aufgewacht"

Nichts weniger als ein "Powerhouse für Innovationen" will Ford mithilfe seiner im Februar angekündigten Partnerschaft mit Google aufbauen. Der US-Softwareriese soll Ford bei der Transformation zu einem agilen, digital tickenden Mobilitätsanbieter helfen. Für Google bedeutet der zunächst auf sechs Jahre angelegte Vertrag mit Ford einen Durchbruch. Zwar gibt es etliche Kooperationen mit der Autobranche. Doch noch nie ging die Zusammenarbeit so weit wie jetzt mit Ford.

Im vergangenen Juli hatte zwar schon die Renault-Gruppe einen Deal mit Google Cloud geschlossen. Dabei geht es jedoch allein um die digitale Transformation der Produktion. Die Einbindung von Google Cloud in die Renault- IT werde die Digitalisierung des Konzerns beschleunigen, sagte damals Produktionsvorstand Jose Vicente de los Mozos. "Wir wollen dadurch unsere Standards und unsere Performance verbessern."

Ford will das auch – aber noch viel mehr. Das eigene Konnektivitäts- und Entertainmentsystem Sync soll mittelfristig abgelöst werden von Android Auto. Von 2023 an sollen nach und nach alle Modelle der Marken Ford und Lincoln mit dem Google-Betriebssystem ausgestattet werden. Damit wird Google faktisch die Macht über die Cockpits übernehmen. Genau dies wollen die meisten Autobauer bislang vermeiden. Sie pochen auf die Hoheit über ihre Daten und digitalen Geschäftsmodelle. Doch das könnte sich nun ändern.

"Natürlich greifen wir nicht auf die Daten unserer Kunden zu. Das ist auch technisch und rechtlich ausgeschlossen", sagte Dominik Wee der Automobilwoche. Er ist bei Google Cloud weltweit verantwortlich für den Automobilsektor, für Elektronikunternehmen, Luftfahrt und weitere Industriebereiche. Dem früheren McKinsey-Partner sind die Vorbehalte der Automanager klar, für begründet hält er sie nicht.

Die Corona-Pandemie habe nun ein Umdenken angestoßen. "Die Autobranche ist aufgewacht. Sie erkennt, dass sie wesentlich Consumer-orientierter denken und arbeiten muss." Bei den meisten Automotive-Managern sei die Retail-Erfahrung jedoch eher gering. "Das macht die Digitalisierung in diesem Bereich schwierig."

Ein starker Antrieb für neue Partnerschaften sei der Zwang zur Skalierung digitaler Prozesse und zu einer massiven Beschleunigung der Entwicklung. "Klassische Siebenjahreszyklen für das Automobil müssen mit schnelleren Entwicklungszyklen in der digitalen Welt zusammengebracht werden." Wee sieht auch seine eigene Firma gefordert. "Wir müssen uns beide öffnen und unser jeweiliges Silodenken verlassen."

Die neuen digitalen Möglichkeiten der Autobauer seien nahezu endlos, ist Wee überzeugt. "Es gibt zahlreiche smarte Lösungen, die man monetarisieren kann. Wir haben beispielsweise Anwendungen für das Lifecycle-Management, für Rückrufe, für das Flottenmanagement, für die Verschleißkontrolle, für Bezahlvorgänge, das Laden und vieles mehr.

Besonders weit zurück liege die Digitalisierung im Autohandel. "Da gibt es beispielsweise mehrere Hundert verschiedene Dealer- Management-Systeme – das ist unnötig komplex und verlangsamt Innovationen erheblich." Selbst triviale Vorgänge wie das Buchen einer Probefahrt auf einer Herstellerseite seien vielfach noch nicht möglich oder unnötig kompliziert. Wee sieht aber auch den Automobilvertrieb im Aufbruch: "Keine Frage, die Pandemie hat auch hier einen Digitalisierungsschub ausgelöst. Jetzt geht es darum, Lösungen auch tatsächlich zu implementieren."

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