Der Grünen-Politiker Cem Özdemir ist Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur. Er ist damit der politische Gegenspieler von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und könnte in einer neuen Bundesregierung mit grüner Beteiligung Verkehrsminister werden.
Herr Özdemir, die Grünen wollen, dass in Deutschland schon 2030 der letzte neue Pkw mit einem Verbrenner an Bord zugelassen wird. Ist Ihnen klar, was das für die Autoindustrie bedeutet?
Ich stehe als Ausschussvorsitzender und als Stuttgarter Bundestagsabgeordneter regelmäßig im Dialog mit der Automobilbranche. Die Herausforderungen für die Branche habe ich auf dem Schirm, und genau darum geht es mir ja. Ich will, dass unsere Autohersteller auch in Zukunft erfolgreich Autos bauen. Und die werden emissionsfrei sein angesichts der Dramatik der Klimakrise auf der einen und der internationalen Marktentwicklung auf der anderen Seite. Ich will, dass wir da mitmischen, um die Wertschöpfung im Land und in Europa zu halten.
Viele in der Branche kritisieren aber, dass die Grünen bei diesem Prozess zu sehr auf Zwang und Regulierung setzen.
Entscheidend für die Automobilbranche ist die Planungssicherheit. Überwiegen Unsicherheit und Zweifel, werden Investitionen aufgeschoben. Gerade für die Zulieferer ist die Herausforderung durch die Transformation besonders groß. Da können wir Strukturbrüche nur mit Orientierung und klarerer Ansage vermeiden. Diese Klarheit wollen wir mit einer Festlegung auf das Elektroauto schaffen. Wir Grüne wissen, dass die Verkehrswende nur gemeinsam mit allen Stakeholdern geht, deshalb müssen wir endlich anfangen, über das "Wie" zu sprechen. Einige in der Politik sind aber immer noch beim "Ob". Die Hersteller sind da in großen Teilen weiter.
Bis 2030 sind es nur noch neun Jahre. Eine Generation von Verbrennungsmotoren hält acht und mehr Jahre. Überfordern Sie nicht die Branche mit diesem Tempo?
Den Produktzyklus für neue Motoren und für das Hochfahren der Elektromobilität haben die Autobauer doch bereits in ihre Planungen eingepreist. Die Messe ist beim Pkw längst gelesen, auch auf internationaler Ebene. Selbst General Motors aus den USA setzt auf E-Mobilität. Die Zukunft des Autos wird elektrisch sein. Was wir hier fordern, ist keine Minderheitenmeinung mehr.
In einer künftigen Koalitionsregierung könnte diese Forderung aber für Diskussionen sorgen.
Ein Hersteller nach dem anderen kündigt gerade an, voll auf E-Mobilität zu setzen. Jetzt geht es darum, dass diese Investitionen in Innovation und Klimaschutz auch fliegen. Allen sollte klar sein, dass man die deutsche Automobilbranche nicht mit einem Schutzschirm umgeben kann – sie steht in einem scharfen internationalen Wettbewerb, und auch der ist immer mehr elektrisch.
VDA-Präsidentin Hildegard Müller fordert, ein schneller Ausstieg aus dem Verbrenner sei nur möglich, wenn gleichzeitig europaweit das Ladenetz ausgebaut wird.
Ich habe kein Problem damit. Ohne ein leistungsfähiges und flächendeckendes öffentliches Ladenetz ist eine breite Elektrifizierung nicht möglich. Aber ich bin dagegen, dass bei politischen Weichenstellungen immer wieder auf die Verantwortung anderer Beteiligter verwiesen wird. Die ständige Forderung des VDA nach Technologieoffenheit hat letztlich dazu geführt, dass wir sehr viel Zeit verloren haben auf dem Weg in die Elektromobilität.
CO2-neutral sind auch synthetische Kraftstoffe, sofern sie mit regenerativen Energien erzeugt wurden. Die FDP hält E-Fuels für eine Alternative zum Batterie-Auto. Warum sind Sie dagegen?
Das betrachte ich wie ein typischer Baden-Württemberger: Ich frage nach der Effizienz, nach dem Preis und nicht zuletzt nach der Verfügbarkeit. In allen diesen Punkten können E-Fuels keineswegs überzeugen. Sie benötigen zur Herstellung sehr viel Strom und stehen auf absehbare Zeit nur in Reagenzglasmengen zur Verfügung. Allein die Produktionskosten liegen zurzeit bei 4,50 pro Liter. Ich empfehle der FDP, einfach mal den Wirtschaftsteil einer Tageszeitung zu lesen. Dann brauchen wir über E-Fuels im Pkw nicht mehr zu sprechen. Selbst ein traditioneller Sportwagenhersteller wie Porsche setzt weitgehend auf E-Mobilität. Schwaben können halt rechnen (lacht).
Sie haben einmal gesagt, alles was dazu beiträgt, den CO2-Footprint im Verkehr zu senken, sei Ihnen willkommen. Dann dürften Sie aber nicht ab 2030 die Plug-in-Hybride verbieten.
Ich bin nicht gegen Plug-in-Hybride, wenn sie das sind, was uns die Industrie einmal versprochen hat: nämlich Elektroautos mit einem kleinen Verbrennungsmotor als Range-Extender. Ein Plug-in-Hybrid ist klimafreundlich, wenn er die meiste Zeit elektrisch fährt. Es muss also geprüft werden, ob Plug-in-Hybride überwiegend elektrisch bewegt werden. Nur dann kann es eine Förderung geben.
Bei so viel grüner Mobilität, haben Sie selbst noch einen privaten Pkw?
Ich persönlich nicht, aber meine Ehefrau. In Berlin fahre ich am liebsten mit meinem Pedelec. Wenn ich von Berlin nach Stuttgart reise, nehme ich in der Regel die Bahn und steige am Bahnhof in ein Fahrzeug des Carsharing-Anbieters Stadtmobil um.
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