Herr Sommer, was war der Hauptgrund für die Übernahme von TRW?
Die Technologiekompetenz von TRW. Vor knapp zwei Jahren haben wir im ZF-Konzern damit begonnen, einen Langfrist-Strategieprozess aufzusetzen. Wir haben uns damit auseinandergesetzt, in welchen Märkten und mit welchen Technologien wir erfolgreich präsent sein wollen. Dabei haben sich drei große Megatrends herauskristallisiert. Effizienz im Antriebsstrang, Sicherheitssysteme fürs Fahrzeug sowie der Bereich Fahrerassistenzsysteme und autonomes Fahren, der bei uns am stärksten im Fokus steht.
Und warum der große Wurf mit TRW?
Nachdem die Entscheidung gefallen war sich in den Technologien zu verstärken, haben wir uns auch am Markt umgeschaut. Wir haben uns sehr intensiv damit beschäftigt, in wie vielen Schritten wir diese Kompetenz aufbauen wollen. Unsere Analyse hat gezeigt, dass TRW als Gesamtunternehmen in einer idealen Weise komplementär zum Produktportfolio von ZF steht und die bei uns nicht vorhandenen Produktfelder abdeckt.
Welche Bedeutung hat die Größe von TRW gehabt?
Die stand nicht im Vordergrund, auch wenn nun die Möglichkeit haben, dass wir in jeder Region Strukturen aufbauen und Technologien zur Verfügung stellen können, die uns die immer globaler werdenden Kunden mit ihren stark wachsenden Volumen abverlangen.
Wie soll die Integration eines sehr schlank aufgestellten, börsennotierten US-Unternehmens dieser Größenordnung gelingen? Da gab es in der Vergangenheit ja durchaus abschreckende Beispiele.
Grundsätzlich sind beide Unternehmen von ihrer Kultur und ihren Strukturen her nicht über einen Kamm zu scheren. Aber wir haben auch in der ZF-Welt unterschiedliche Kulturen unter einem ZF-Dach. Über die Zukäufe von Sachs oder der Fusion mit Lemförder verfügen wir beispielsweise über Unternehmensstrukturen, die sehr schlank und effizient sind. Wenn man sich beide Unternehmen im Detail anschaut, dann sind die Unterschiede nicht mehr so groß, wie es vielleicht auf der Shareholder-Basis erscheint. Aber ich nehme den Integrationsprozess nicht auf die leichte Schulter.
Was bedeutet das?
Wir stellen beispielsweise Teams auf, die sich genau anschauen, wo es bei TRW effiziente und gradlinige Strukturen gibt, die uns auch bei ZF helfen können. Aber auch, wo wir mit unseren technologieorientierten Prozessen noch Ergänzungen bei TRW vornehmen können. Solche Dinge werden intensiv aufgearbeitet. Dafür stellen wir unsere besten Leute zur Verfügung. Beim kulturellen Thema ist es so, dass auch heute schon in beiden Unternehmen unter einem Dach verschiedene Kulturen vereint sind. Künftig werden unter einer Dachmarke ZF neben den Kulturen von Sachs, Lemförder, der klassischen ZF, dem Industrie- und dem Nutzfahrzeugbereich, eben auch eine TRW-Kultur mit ihren Subkulturen integriert.
ZF hat den Kauf über Fremdkapital finanziert. Wie viel Sorgen bereitet Ihnen die Verschuldung?
Das ist eine Herausforderung, die man jetzt managen muss. Sie bereitet mir heute aber keine Sorgen, ohne dass ich das Thema vernachlässigen will. Grundsätzlich gilt, dass hier zwei nahezu schuldenfreie Unternehmen zusammenkommen. Das ist dann eben nicht zu vergleichen mit prominenten Beispielen aus der Vergangenheit, wo das nicht der Fall war. Dazu kommt, dass beide Unternehmen ertragsstark sind, über ein sehr sortiertes Produktportfolio verfügen und es keinen großen Restrukturierungs- und Investitionsbedarf gibt. Vielmehr können wir uns darauf konzentrieren, die komplementäre Technologiestrategie umzusetzen.
Und die Entschuldung?
Die Ertragskraft sorgt dafür, dass wir uns relativ schnell wieder entschulden können. Das Zinsniveau und die Bedingungen am Finanzmarkt sind sicherlich auf einem historisch guten Niveau. Zudem muss TRW als börsennotiertes Unternehmen heute natürlich einen großen Teil seines Cash-Zuflusses als Dividende an die Aktionäre auszahlen. Dieses Geld wird zukünftig im gemeinschaftlichen Unternehmen verbleiben. Über die neue Anteilseignerstruktur haben wir somit einen immensen Hebel, die Schuldenlast wieder abtragen zu können.
Brauchen Sie künftig die Mitarbeiter beider Unternehmen oder denken Sie über einen Abbau nach?
Wir brauchen alle Mitarbeiter. Beide Unternehmen bauen derzeit Personal auf, da sie aufgrund ihrer Technologieposition zur Zeit stark wachsen. Weil die TRW-Übernahme ein komplementärer Deal und kein synergieorientierter ist, müssen wir keine Werke in den Wettbewerb stellen. Vor allem in der Entwicklung haben beide Unternehmen in Nordamerika wie in Europa noch Personalbedarf.
Welche Synergien erwarten Sie beim Einkauf?
Das werden wir noch analysieren. Den bei ZF begonnenen Prozess, die Anzahl der Lieferanten zu konsolidieren setzen wir fort. Zudem versprechen wir uns vor allem in der Lokalisierung einen Schub, indem wir auch auf das Lieferantennetzwerk von TRW zugreifen können.
Im Ranking der Automobilwoche des vergangenen Jahres würde die Kombination ZF/TRW, bezogen auf den Umsatz in der Erstausrüstung, Position zwei belegen. Ist der Rang als Nummer eins für Sie ein Ziel?
Die schiere Größe alleine ist kein Ziel. Wir schauen auch nicht auf eine Position, sondern wir sehen uns vor allem unseren weltweiten industriellen Footprint an. Wir wollen stark in den Wachstumsmärkten sein. China und die Nafta-Region sehen wir als sehr nachhaltige Wachstumsregion. Dort müssen wir mit all unseren Technologien präsent sein. Dafür braucht man eine gewisse Größe.
Wie war die Reaktion der Fahrzeughersteller auf ihre Zukaufpläne?
Bis jetzt habe ich ausschließlich positive Reaktionen bekommen. Das Potenzial, dass ZF und TRW gemeinsam haben, und die Technologien und Systemangebote, die wir in Zukunft bieten können, wird von den Kunden gesehen. Sicherlich werden auch unsere Kunden jetzt erst einmal abwarten, wie wir das in der Integrationsphase auch wirklich umsetzen.
ZF hat das Automobilgeschäfts nochmals gestärkt. Wird der Ausbau des Non-Automotive-Geschäfts, beispielsweise bei Getrieben für Windkraftanlagen, zunächst hintenan gestellt?
Nein, das passiert nicht. In den Strategieprozessen wurde ganz klar festgelegt, dass wir umsatz- und ertragsstarke Säulen im Bereich Industrietechnologie wie auch beim Nutzfahrzeug brauchen. Wir wollen relativ diversifiziert sein, um robust für alle künftigen Schwankungen aufgestellt zu sein.