Er hat einen der anspruchsvollsten Jobs in der Automobilindustrie: Audi-Chef Bram Schot. Im Automobilwoche-Interview erklärt er seine Strategie und seine Ziele.
Herr Schot, Sie haben im Januar 2019 die Führung von Audi übernommen. Was hat Sie im neuen Job am meisten überrascht?
Am meisten überrascht hat mich der besondere Audi-Spirit trotz der Dieselkrise. Es ist die Can-do-Attitüde. Wenn man sich etwas in den Kopf gesetzt hat, gibt es auch einen Weg. So entstehen Innovationen, so entsteht Vorsprung – und nicht durch ausgeprägte Hierarchien und lange Entscheidungswege. Audi heißt „hör zu“. Ich höre den Audianern viel zu und weiß, dass sie sich ein agiles Unternehmen mit viel Teamgeist wünschen, dass sie Neuland für Audi erobern wollen.
Was ist die Idee hinter Ihrem neuen Transformationsplan?
Wir transformieren Audi in einen durch und durch nachhaltigen Mobilitätsanbieter, der das mobile Leben der Kunden erleichtert. Der Transformationsplan legt mit 15 Milliarden Euro bis 2023 dafür das Fundament. Darauf errichten wir die Strategie „Konsequent Audi“.
VW-Konzernchef Herbert Diess sagt, dass bei Audi auf der Kostenseite noch „sehr viel Arbeit“ zu erledigen ist. Wo hat Audi Speck angesetzt – und warum?
Audi hat ohne Zweifel in den vergangenen Jahren nicht mehr die Kapitalrendite erreicht wie noch zu Beginn des Jahrzehnts. Wir haben natürlich unsere Investitionen seitdem deutlich gesteigert – wir investieren 50 Prozent mehr als 2011 in Entwicklung, Fabriken, Maschinen und Werkzeuge. Und wir haben in der Zeit auch unsere Personalstärke erhöht. Richtig, wir verkaufen heute auch eine halbe Million Autos mehr als 2011. Dennoch kommt unterm Strich kein höheres Ergebnis heraus. Das ändern wir jetzt.
VW fordert auch, dass Audi mehr Synergie im Konzern heben muss. Warum ist das so schwierig, etwa mit Porsche?
Der Wettbewerb unter den Marken des Konzerns war bis vor wenigen Jahren ausdrücklich gewollt. Jetzt haben wir andere Vorzeichen. Wir bündeln unsere Kräfte bei den großen Themen für die Grundlagenarbeit. Die Plattform für digitalen Mehrwert im Auto errichten wir gemeinsam als Backend. Das Frontend und damit die User Experience machen wir allein. Wir arbeiten inzwischen sehr gut mit Porsche zusammen und errichten die Premiumarchitektur für E-Autos der Segmente B bis D. In unteren Marktsegmenten setzen wir auf den MEB von VW auf, etwa mit dem Q4 e-tron Concept. In der Audi-Strategie nennen wir das konsequent synergetisch. Da lasse ich nicht locker.
Wo bietet Audi heute noch klaren „Vorsprung durch Technik“?
Sind Sie schon mal einen Audi e-tron Quattro gefahren? Wir haben das erste Elektro-SUV im Kernwettbewerb auf den Markt
gebracht. Ein Auto, das als extreme Version sogar die Streif in Kitzbühel hinaufgefahren ist, bei 85 Prozent Steigung. Wenn das keine Erneuerung von Vorsprung durch Technik ist! Künftig werden wir Vorsprung immer als den echten Mehrwert für den Kunden definieren, nicht als das technisch Machbare. Vorsprung demonstrieren wir mit dem stärksten Angebot im Premiumwettbewerb an CO2-neutraler Mobilität. 2020 haben wir fünf Elektroautos im Angebot, 2025 werden es 20 e-tron-Modelle und circa zehn Plug-in-Hybride sein. Das ist konsequent elektrisch. Und ganz klar Vorsprung.Wie soll das funktionieren: führender Anbieter CO2-neutraler Mobilität werden und gleichzeitig eine Kapitalrendite von sagenhaften mindestens 21 Prozent erreichen?
Indem wir die Steuerungsinstrumente so umstellen, dass wir für jedes Modell zu jeder Zeit die Projektrendite nach CO2-Einfluss berücksichtigen. Nachhaltigkeit ist kein Nice-to-have mehr. Das entwickelt sich zum wichtigen Kaufgrund neben Design und Vernetzung. Nicht zuletzt müssen Anbieter mit Milliardenstrafen rechnen, wenn sie die CO2-Ziele verfehlen. Wir senken den CO2-Footprint unserer Produkte bis 2025 um ein Drittel.
Wo liegen aktuell die größten Herausforderungen beim umfassenden Wandel im Premiumsegment?
Die politischen Unsicherheiten in weiten Teilen der Welt dauern an. Insbesondere Zollfragen verstärken die Schwankungen der Märkte. Nach dem Mehraufwand, den WLTP verursachte, folgt die Frage, wann mit Euro 7 die nächste verschärfte Abgasnorm zu bewältigen ist. Für Audi hat sich knapp vier Jahre nach Beginn der Dieselkrise die Transformation zur E-Mobilität als einzig logische Konsequenz ergeben. Wir wollen den Wandel unserer Branche nicht nur für den eigenen Neustart nutzen, sondern auch beschleunigen und damit neue Maßstäbe setzen.