Possen, Pannen, Petitessen

Die Autobranche leistet sich – trotz ihres Hangs zur Perfektion – Possen und Pannen für ein ganzes Kompendium. Manchen Schwank und manche Farce druckte die Automobilwoche in den vergangenen 20 Jahren gern – auch wenn der Boulevard eigentlich nicht der primäre Job einer Wirtschaftszeitung ist.

Eine Posse mit Nachrichtenwert war es, als ein Ingenieur von BMW in der RTL-Show "Wer wird Millionär" im November 2013 denMarktstart des neuen i8 verriet. Er hatte Günther Jauchs ­Frage danach einfach nur brav beantwortet. Da war die Kommunikationsabteilung in München machtlos.

Wohl als Posse muss man auchbezeichnen, dass Opel – nachdem der Autohersteller 2014 das Werk in Bochum geschlossen hatte – den ehemaligen Beschäftigten der Fabrik in einem Schreiben anbot, doch ein Auto der Marke zu kaufen. Es gebe "Mitarbeiterrabatt", alternativ ein Leasingangebot mit "Sorglos-Paket". Das stieß übel auf. Die Entlassenen hätten gerade andere Probleme, kritisierte der Betriebsrat, als sich in ihrer Situation ein neues Auto zu kaufen.

Eine politische Posse leistete sich Daimler-Chef Dieter Zetsche 2012 auf der CES-Bühne in Las Vegas. Zetsche warb für das neue Carsharing mit dem Satz "Viva la revolución" und zeigte dabei das Abbild Che Guevaras überlebensgroß. An seiner roten Mütze klebte statt des Sowjet- der Mercedes-Stern. Das war zu viel für die Exilkubaner, die eine Anti-Mercedes-Kampagne lostraten. Die Kommentatoren des stramm rechten Senders Fox News schäumten, das US-Magazin "Forbes" fand es auch nicht lustig ("That ­famous German humour…"). Dabei kannte kaum jemand die US-Mentalität besser als Zetsche.

Schlecht lief es auch für Chris­tian Wulff, der sich von einem Berliner Audi-Zentrum ein Bobbycar schenken ließ. Es war eine ­bittere Posse mit bösem Ausgang. Der Bundespräsident, der zuvor auch andere Vorzüge angenommen hatte, musste zurücktreten. Zu groß war der öffentliche Druck, zu ­ungeschickt sein Umgang mit den Vorwürfen. Die Affäre Wulff war durch den Autohandel letztlich im Kinderzimmer gelandet.

Ende 2015 waren Volkswagen-Autohäuser unzufrieden mit der Arbeit ihres Händlerverbands in Deutschland. Als die Automobil­woche den Verband im Zuge der Recherche um eine Stellung­nahme bat, reagierte der in Form eines Interviews, bei dem er sich die Fragen selbst stellte und das Interview nur zur Veröffentlichung freigeben würde, wenn es unredigiert genau so gedruckt würde. Die Automobilwoche druckte es nicht und machte den Vorgang in der Zeitung publik.

Und es gab die Gags und bunten Geschichten, über die man einfach berichten musste. Wie ein britischer Comedian 2016 auf dem Genfer Auto-Salon während der Show die VW-Bühne im Blaumann betrat, sich unter den neuen VW Up legte und so tat, als bringe er ein "cheat device" an. Als das Security-Personal den Mann zu entfernen suchte, sagte dieser: "Mr. Müller hat gesagt, es ist okay, solange es niemand herausfindet." Der damalige VW-Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann meisterte die Situation elegant und wünschte dem Comedian noch eine schöne Show.

Immer wieder mal geht es um schräge Werbung. Etwa wenn Seat das Testimonial-Sternchen Cora Schumacher für die Reklame anheuerte oder die bodenständige Marke VW in den USA plötzlich mit "sexy ­Helga", einer hochhackigen Blondine, in der Werbung auftrat.

Oder Opel-Testimonial Marco Reus, über den 2014 herauskam, dass er keinen Führerschein hat und dennoch seit Jahren Auto fuhr. Dafür bekam er eine deftige Strafe aufgebrummt. Heute hat er einen richtigen Schein.

Beachtlich auch, was Ola Källenius, 2017 noch Entwicklungs­vorstand von Daimler, erreichte: Er verstand es, den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann beim Werksbesuch derart zu bearbeiten, dass dieser sich prompt als "Freund des Diesels" outete – und seine Parteifreunde damit zur Weißglut brachte. Da war der Abgesang des Diesels längst angestimmt.

Und immer Elon Musk. Wie erTesla-Hasser auf Twitter beschimpft, wie er bei Problemen einfach in die Fabrik einzieht, wie er Journalisten auslacht, weil sie nach Trinkwasserproblemen in Grünheide fragen, oder auch wie er sein Kind nennt (X AE A-XII). Der Tesla-Chef taucht in nicht weniger als 1500 Artikeln auf der Website automobilwoche.de auf – aber natürlich meist im Umfeld branchenrelevanter Berichte.

Unvergessen auch folgender Ulk: Als die Automobilwoche 15 Jahre alt wurde, schickte die PR-Abteilung von PSA (heute Stellantis) als Geburtstagsgeschenk eine Automobilwoche-Titelseite vom 19. Januar 2032, also zum 30. Geburtstag. Titelzeile: "Dobrindt macht die 10 voll." Gemeint war von den Kölner Humoristen, dass Alexander Dobrindt zum zehnten Mal zum VDA-Präsidenten "wiedergewählt" worden sei. Weitere Fake-News-Story: Bei VW toppen die Currywursterlöse erstmals den Automobilumsatz. Beides ist bis zum 20. Geburtstag 2022 nicht eingetreten – und es sieht auch weiter nicht danach aus.

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