Batterietechnik und politische Großwetterlage sprechen für das Elektroauto. Der ehemalige VDA-Geschäftsführer Thomas Schlick, seit 2010 als Partner bei Roland Berger tätig, rät Zulieferern, rasch umzusteuern.
Herr Schlick, trotz staatlicher Prämien finden Elektroautos wenig Käufer. Warum?
Für den normalen Kunden gibt es derzeit noch keinen Grund, sich ein Elektroauto zu kaufen. Im besten Fall hätte er keine Nachteile durch höhere Anschaffungskosten und mangelnde Infrastruktur. Hinzu kommt die rasche Weiterentwicklung der Technik. Es ist ganz rational, sich zu fragen, ob das Elektroauto, das ich heute kaufe, morgen nicht schon veraltet ist.
Kommt das Elektroauto trotzdem?
Bis zum Jahr 2030 wird die CO2-Regulierung weiter verschärft. Allein mit dem Verbrennungsmotor wird das nicht zu schaffen sein. Das Thema Biokraftstoffe ist politisch verbraucht, daher haben es auch Kraftstoffe zweiter Generation, die aus Abfallstoffen gewonnen werden, extrem schwer. Vor dem Hintergrund halte ich 25 bis 30 Prozent Marktanteil im Jahr 2025 für realistisch – inklusive Plug-in-Hybridfahrzeuge.Die Kunden müssen ausreichend Elektroautos kaufen, damit die Hersteller die CO2-Grenzwerte erreichen?
Die Hersteller werden ihre Vertriebsstrategie entsprechend ändern. Letztlich werden sie die neue Technologie massiv in den Markt bringen, um die hohen Investitionen in die Entwicklung zu amortisieren. Derzeit erleben wir eine erhebliche Verschiebung der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung vom Verbrennungsmotor hin zur Elektrifizierung, bei Herstellern wie Zulieferern.Das bedeutet, dass größere Verbrennungsmotoren gar nicht mehr angeboten werden?
Ja. Oder zumindest werden sie so teuer, dass sie in Europa nur noch wenige Käufer finden. Gleichzeitig wird das Elektroauto deutlich günstiger als heute.Wie rasch sind denn Kostenfortschritte zu erwarten?
Unter 100 Euro pro Kilowattstunde, und das nicht für die Zelle, sondern für das Batteriesystem, sind in greifbarer Nähe. Irgendwann zwischen 2023 und 2025 wird ein batterieelektrisches Fahrzeug so viel kosten wie ein sauberes Diesel-Auto.Wie sicher ist es, dass es wirklich so kommt?
Generell werden die Unsicherheiten eher geringer. Das liegt auch daran, dass mehrere Batteriezell-Hersteller derzeit massiv in europäische Werke investieren. Wenn die Kapazität vorhanden ist, dann wird sie auch genutzt werden. Zum großen Kostenrisiko könnten die Rohstoffpreise werden. Das größte Risiko überhaupt könnte darin liegen, dass sich – wie aktuell in den USA – die politische Agenda zuungunsten des Klimaschutzes ändert.Welche Rolle spielt der Rohölpreis für den Antriebsmix der Zukunft?
Eine von uns durchgeführt Studie zeigt: Der Einfluss der Kraftstoffpreise auf die Verbreitung der Elektromobilität ist eher gering.Wie reagiert die Zulieferindustrie auf den Paradigmenwechsel?
Die großen Zulieferer haben zumindest kein Erkenntnisproblem mehr. Es geht nur noch darum, wie zu handeln ist. Wenn man sich die Größe der Entwicklungsmannschaften und die Kapazitäten der Fabriken ansieht, die vom Verbrennungsmotor abhängen, dann wird deutlich, wie groß die Schiffe sind, die da umgesteuert werden müssen. Hinzu kommt: Um Arbeitsplätze zu erhalten, wenn weniger Motoren und Getriebe gebraucht werden, betreiben die Autohersteller verstärkt Insourcing.Haben mittelständische Zulieferer sogar ein Existenzproblem?
Das hängt natürlich vom Produktprogramm ab. Aber Synchron-ringe braucht man zum Beispiel in einem rein batterieelektrischen Fahrzeug nicht mehr. Der Strukturwandel trifft die kleinen Zulieferer sicher als Erste. Aber die gute Nachricht ist: Das passiert nicht über Nacht. Auch 2030 werden noch Verbrennungsmotoren gebaut.Lesen Sie auch: