Kommentar: Warum auch die VW-Aktionäre verzichten müssen

Mit dem Weihnachtswunder wurde der Tarifstreit bei Volkswagen weitgehend beigelegt, doch nach wie vor sind einige Punkte offen. Zum Beispiel die kommende Ausschüttung an die Aktionäre. Daniela Cavallo ging die Anteilseigner – allen voran die Porsche SE, sprich die Familien Porsche und Piëch – im Rahmen des Arbeitskampfes direkt an, forderte sie zum Verzicht auf.

Die Kapitalseite soll, vor allem mit Blick auf Milliarden-Abschreibungen bei der Porsche SE, ursprünglich eine Anhebung auf die früher übliche Quote von 30 Prozent gefordert haben. Wie das Manager Magazin berichtet, soll dieses Diskussion nun beigelegt sein, und wie schon im Vorjahr "nur" rund 28 Prozent des Gewinns ausgeschüttet werden. Der wird 2024 deutlich niedriger ausgefallen sein als bisher. Prognosen gehen von gut 18 Milliarden Euro aus, 2023 waren es 22,6. 
 

Sparmaßnahmen sind keine Spaßmaßnahmen, keine Frage. Aber darf man deswegen die Anteilseigner davon ausnehmen? Natürlich kann man argumentieren, dass Aktionäre eine faire Rendite erwarten.

Aber wenn sich VW gerade mühsam neu aufstellt, dann sollte klar sein: Wer das große Geld mit der Marke verdient, muss auch mal mithelfen, sie zu stabilisieren. Solidarität beginnt nicht erst beim Fließband – sondern auch in den oberen Etagen und Aktionärskreisen.  

Fairerweise muss man sagen: Die oberste Etagen des Managements scheint sich verhältnismäßig kräftig am Sparkurs zu beteiligen. Konzern-Boss Oliver Blume und seine Vorstandskollegen sollen zunächst auf rund zehn Prozent ihres Jahresgehalts verzichten.

Macht bei bislang gezahlten 51,1 Millionen Euro also gut fünf Millionen Euro an Einsparungen – oder rund 500.000 Euro pro Vorstand. Wobei sich der Verzicht bei den meisten Vorständen eher bei rund 400.000 Euro einpendeln dürfte und Oliver Blume im Gegenzug mit rund einer Million Euro weniger auskommen muss. Happig, aber für die Vorstände wohl verkraftbar. 

Wie weh Verzicht tun kann, davon können vor allem die Volkswagen-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter ein Lied singen, denen in den kommenden Wochen oder Monaten ein Dienstjubiläum ins Haus steht. Statt üppiger Boni, die früher – je nach Gehaltsklasse – durchaus dafür geeignet waren, endlich das Eigenheim am Wolfsburger Stadtrand abzubezahlen, springt nun häufig nur noch eine große Grillfeier raus

Die Beschäftigten im Haustarif-Vertrage tragen nach den zähen Verhandlungen Ende 2024 selbstverständlich ihren Teil zur Rettung des Konzerns bei. Insgesamt haben sich IG Metall und Volkswagen auf einen Beitrag auf Arbeitskostenseite von rund 1,5 Milliarden Euro verständigt.

Auf ihrem monatlichen Gehaltszettel merkt die Belegschaft zunächst keine Auswirkungen, das Entgeltsystem wird aber ab 2025 von den Tarifparteien überarbeitet. Doch allein der partielle Verzicht von Boni- oder Sonderzahlungen spart dem Unternehmen eine Menge Geld, von den bilanziellen Vorteilen der künftigen Überarbeitung des Entgeltsystems für den Konzern ganz zu schweigen. 

Die Rechnung ist einfach: Wenn die Belegschaft und das Management Abstriche machen, müssen sich auch die Anteilseigner an der Sanierung beteiligen. Schließlich ist der Volkswagen-Konzern keine Einbahnstraße, in der Gewinne brav an die Aktionäre fließen, während Verluste allein die Beschäftigten tragen. Die Dividenden-Milliarden aus Wolfsburg – im Jahr 2023 immerhin 4,5 – sprudeln ja nicht aus dem Nichts, sondern aus der Arbeit derer, die jetzt auch Abstriche hinnehmen.