Frühes Pooling: Autobauer bauen Druck auf die EU auf

Es ist kein Zufall, wenn innerhalb weniger Tage einige der größten Autobauer in Europa der Europäischen Union zu verstehen geben, dass sie 2025 nur mit größter Mühe die neuen CO2-Flottengrenzwerte werden einhalten können.

Mehrere Hersteller haben gegenüber der EU-Kommission in den ersten Tagen des noch jungen Jahres so genannte CO2-Pools angekündigt ("declarations of intent to form open pools pursuant to article 6 of regulation") oder bereits vertraglich untereinander vereinbart "(pools pursuant to article 6 of regulation").

Was sie damit bezwecken wollen: Den Druck auf die Kommission erhöhen, damit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die bislang noch für 2026 angekündigte Revision der CO2-Flottenregulierung vorzieht – und damit Bußgelder für 2025 stoppt oder zumindest deutlich abmildert.

Eigentlich hätten die Hersteller mit der Ankündigung eines Pools noch Zeit bis zum 31. Oktober. Selbst dann wäre es noch möglich, einen Pool zu bilden, der rückwirkend für das gesamte Kalenderjahr anerkannt wird.

In der Vergangenheit wurden die Pools denn auch fast immer zum allerletzten möglichen Termin verkündet, und zwar aus dem Grund, dass zu Jahresbeginn noch gar nicht bekannt ist, wie viele BEVs, PHEVs und Fahrzeuge mit sparsamen Hybridantrieben verkauft werden.

In diesem Jahr aber ist das anders. Die Hersteller wollen demonstrieren, dass es ohne Behelfsmaßnahmen und kostspielige Pooling-Vereinbarungen nicht mehr geht.

Zum 1. Januar 2025 traten die verschärften Emissionsregeln im EU-Raum in Kraft. Die CO2-Flottengrenzwerte dürfen nun 93,6 Gramm CO2 pro Kilometer nicht überschreiten. Liegen sie darüber, fallen pro Gramm und pro neu zugelassenem Fahrzeug hohe Geldbußen an.

Der europäische Herstellerverband ACEA hatte bereits im vergangenen Herbst unter seinem damaligen Präsidenten, Renault-CEO Luca de Meo, gewarnt, diese Bußgelder könnten sich auf bis zu 15 Milliarden Euro belaufen. Das seien Milliardensummen, die die Hersteller in Europa doch viel sinnvoller in die Forschung und Entwicklung investieren sollten.

Der seit Jahresbeginn amtierende neue ACEA-Präsident Ola Källenius setzt diese Argumentation fort. „Wir brauchen einen realistischen Pfad zur Dekarbonisierung der europäischen Autoindustrie – einen, der marktgetrieben ist und nicht von Strafen", forderte der Chef von Mercedes-Benz in der vergangenen Woche.

Auch Bosch-CEO Stefan Hartung lehnt die drohenden Geldbußen ab. "Ich kann nicht aus Europa heraus versuchen, die Welt zu regulieren, das wird nicht gehen", sagte er der Zeitschrift "Auto, Motor und Sport."

Die Kommission hat bislang allerdings nicht die Absicht erkennen lassen, bei den Flottengrenzwerten einzuknicken. Klimaschutzkommissar Wopke Hoekstra hatte schon im Dezember eine Abschwächung abgelehnt. "Eine Änderung der Vorschriften würde die gleichen Wettbewerbsbedingungen verzerren und diese Hersteller im Wettbewerb benachteiligen“, argumentiert er.

Allerdings könnte es zu einem typischen EU-Kompromiss kommen: In der Kommission wird über die vom grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck eingebrachte Idee diskutiert, die Grenzwerte zwar nicht anzufassen, allerdings eine zeitliche Streckung zu ihrer Erreichung zuzulassen. Sollte ein Hersteller die Grenzwerte 2025 nicht erreichen, könnte er sie 2026 und 2027 übererfüllen und damit an Strafzahlungen vorbeikommen.

Keine überzeugende Antwort bieten die Autobauer bislang auf die Frage, warum sie es in 16 Jahren nicht geschafft haben, sich auf die neuen Grenzwerte einzustellen. Dies kann bekanntlich nicht nur durch mehr E-Autos auf den Straßen erreicht werden, sondern auch durch mehr Plug-in-Hybride, Vollhybride und nicht zuletzt durch leichtere und weniger stark motorisierte Verbrennerfahrzeuge.

Die Hersteller weisen diesen Einwand mit dem Hinweis zurück, dass am Ende der Kette nicht der Regulierer, sondern der Kunde steht und stehen sollte. Darauf erwidern die Sachwalter der CO2-Regulierung: Nutzt eure Preismacht, engagiert euch für eine bessere Ladeinfrastruktur und lasst die Kunden die Zeche zahlen, die unbedingt mit sechs Zylindern und Massagesitzen über die Autobahn bollern wollen.

Wie dieses Ringen zwischen Kommission, Herstellern und den neuen nationalen Regierungen in der EU ausgehen wird, ist noch nicht entschieden.

Für ein kompromissloses Festhalten an der bisherigen Regulierung spricht das Gesetz des Marktes: Wenn die Hersteller ihre Modelle mit sehr niedrigem CO2-Ausstoß für den Endkunden attraktiver machen, werden die Skaleneffekte dazu führen, dass der Zeitpunkt näherrückt, an dem zwischen vergleichbaren BEVs und Verbrennermodellen Preisgleichstand herrscht.

Dieser Volumeneffekt wird mittelfristig auch den Herstellern dazu verhelfen, akzeptable Margen mit der Elektromobilität zu verdienen.

Nicht zuletzt sollte die EU die Drohkulisse "Pooling" nicht so ernst nehmen: Zum einen haben Hersteller wie Toyota, Stellantis und sogar Volkswagen erklärt, sie seien zuversichtlich, für 2025 keine CO2-Strafen zahlen zu müssen. Sogar Mercedes-Benz könnte dies womöglich dank seines Pools mit dem Partner Geely (Smart Automobile) knapp schaffen.

Zum anderen dürften sich die Bußgelder in deutlich geringeren Größenordnungen bewegen, als vom ACEA befürchtet. So hat etwa die Nichtregierungsorganisation Transport & Environment ausgerechnet, dass bei einem realistischen Szenario nur eine Milliarden Euro auf alle Hersteller zusammen zukommen dürften. Das wäre dann weniger, als allein Tesla durch den offenen Pool von seinen Rivalen verdienen dürfte.