Shanghai. Karl-Thomas Neumann, Vorstandschef von Volkswagen Group China, rechnet für sein Unternehmen in den nächsten fünf Jahren mit anhaltendem, wenn auch leicht gedämpftem Wachstum: "Es wird sich auf acht bis zwölf Prozent verlangsamen“, sagte er vor der Automesse in Shanghai. Neumann machte allerdings auch klar: "Meine Vorgänger haben sich hinsichtlich des Wachstums immer verschätzt – und zwar nach unten.“ Im ersten Quartal dieses Jahres hatte der VW-Konzern in China 550.000 Autos der Marken VW, Audi, Skoda, Bentley und Lamborghini verkauft, was einem Plus von 19,9 Prozent entspricht.
Für VW ist China längst wichtiger als der deutsche Markt. Während in Europa kaum noch mit Wachstum zu rechnen ist, bleibt die Dynamik in China ungebrochen: 2015 werde VW dort drei Millionen Autos bauen und verkaufen, rechnet Neumann vor. Vergangenes Jahr waren es knapp zwei Millionen, womit das Unternehmen Marktführer bei den Pkw ist. Zudem trägt China gut 1 Mrd. Euro zum Gewinn des VW-Konzerns bei. Und das, obwohl der Konzern dort in den nächsten fünf Jahren mehr als 10 Milliarden Euro investiert – etwa so viel wie seit 1978, seit der Konzern in China mit einer eigenen Fertigung vertreten ist.
VW braucht dringend neue Werke, um die steigende Nachfrage befriedigen zu können. "Unsere Werke sind derzeit zu 135 Prozent ausgelastet. Das heißt, wir arbeiten rund um die Uhr und an den Wochenenden. Jedes Auto, das wir bauen, können wir auch verkaufen“, so Neumann, der seit September 2010 das China-Geschäft von VW verantwortet.
Grenzen des Wachstums sieht die chinesische Regierung vor allem durch die Versorgung mit Rohstoffen: "Sorgen macht man sich in China zum Beispiel wegen der Abhängigkeit vom Rohöl“, so der VW-Manager. Das sei auch die wichtigsten Motivation der Regierung, die Elektro-Mobilität zu fördern. "Wir werden, wie es die Regierung wünscht, in jedem unserer beiden Gemeinschaftsunternehmen ein Elektroauto entwickeln und bauen“, kündigte Neumann an. Ende 2013, Anfang 2014 sollen diese E-Modelle in Serie gehen. Der Staat hat sich vorgenommen, bis 2015 eine Million Elektroautos auf der Straße zu haben. Bis 2020 sollen es fünf Millionen sein. Dazu soll es nicht nur ein 12 Milliarden Euro teures Förderprogramm geben. Der Kauf eines E-Autos soll mit umgerechnet bis zu 14.000 Euro gefördert werden.
Der Umwelt nutzt das nicht: Wegen des hohen Anteils an Kohlestrom produziert eine E-Auto in China derzeit 180 Gramm CO2 pro Kilometer, doppelt so viel wie ein Golf Bluemotion.
Neumann machte klar, dass es bei der E-Mobilität noch weitere offene Fragen gebe, so beim Bau der Batterie. "Wir haben in Braunschweig eine Batterie auf Basis der Litium-Ionen-Zelle von Sanyo entwickelt, die auch als Basis für unsere Projekte hier dienen kann.“ Das Batterie-Projekt mit dem chinesischen Zellen-Hersteller BYD ist offenbar wegen technischer Probleme ins Stocken geraten. BYD hat auch eine Entwicklungspartnerschaft mit Daimler.
Zumindest eine Komponente des E-Autos, der Motor, die Batterie oder die Elektronik, muss in China entwickelt werden, fordert die Regierung. Neumann: "Ich sehe das auch als Chance, das Thema insgesamt voranzubringen.“ VW hat sich vorgenommen, bis 2018 nicht nur Weltmarktführer bei der konventionell angetriebenen Autos zu werden, sondern auch bei Elektroautos.
Auf der Shanghai Motor Show stehen beim VW-Konzern noch die Autos mit Verbrennungsmotoren im Mittelpunkt: So zeigt das Unternehmen einen neuen, für China entwickelten Passat auf Basis der NMS-Architektur (New Midsize Sedan). Auch der New Beetle der neuen Generation wird in Shanghai vorgestellt. Audi, mit weitem Abstand Marktführer im Premium-Segment, zeigt in China den Kompakt-SUV Q3. Die spanische VW-Marke Seat, die ewige Baustelle im Konzern, feiert in Shanghai ihren ersten Auftritt auf chinesischem Boden. Auch Seat will künftig vom Wachstum in China profitieren.