Peking. Daimler hat sich als erster ausländischer Autohersteller an einem chinesischen Fahrzeugproduzenten beteiligt und erhofft sich davon Rückenwind im Reich der Mitte. Der Stuttgarter Autobauer übernahm wie geplant zwölf Prozent der Aktien von BAIC Motor, der Pkw-Sparte des Staatsbetriebs Beijing Automotive Group (BAIC Gruppe). Die Beteiligung wurde in Peking feierlich begangen. "Diese strategische Investition unterstreicht unser langfristiges Bekenntnis zum Schlüsselmarkt China und zu BAIC, unserem zuverlässigen Partner. Gemeinsam können wir nun unsere Präsenz in China weiter ausbauen und stärken, um zukünftig noch besser von den enormen Möglichkeiten des chinesischen Automobilmarkts zu profitieren", so Daimler- und Mercedes-Chef Dieter Zetsche. Zu den Plänen des chinesischen Partners, selbst Anteile an Daimler kaufen zu wollen, sagte Zetsche: "Wir würden das begrüßen." Es gebe aber noch keine Entscheidung. BAIC sei interessiert, aber sehr mit dem geplanten Börsengang beschäftigt, sagte Zetsche.
Mit dem Einstieg ziehen China-Vorstand Hubertus Troska und Daimler-Finanzchef Bodo Uebber in den Verwaltungsrat von BAIC Motor ein. Laut Uebber bezahlte Daimler für den Anteil nun 625 Millionen Euro. Dabei profitierten die Schwaben von günstigeren Wechselkursen. Zu Jahresbeginn, als die Absichtserklärung unterzeichnet worden war, waren noch 640 Millionen Euro für den Deal veranschlagt worden. BAIC Motor wird damit mit rund 5,2 Milliarden Euro bewertet. Daimler kostet der Einstieg allerdings nicht nur Geld. BAIC Motor erhält die Blaupausen der alten E-Klasse (W212), wie ein Daimler-Sprecher auf Nachfrage der Automobilwoche einräumte. Der Zugriff auf die Mercedes-Technologie ist ein wesentlicher Bestandteil des Deals, weil sich damit die Perspektiven von BAIC Motor beim angestrebten nationalen und internationalen Aufstieg als Hersteller deutlich verbessern und dies auch für künftige Investoren ein Argument sein dürfte. Zu weiteren möglichen Technologietransfers wollte sich der Sprecher nicht äußern.Die BAIC Gruppe ist ein breit aufgestellter Fahrzeughersteller mit eigenen Marken, dessen Produktpalette von Lkw, Bussen und Militärfahrzeugen über Transporter bis zu Pkw reicht. Im vergangenen Jahr hat der Konzern 1,7 Millionen Einheiten verkauft und gehört damit zu den zehn größten Herstellern in China. Der Umsatz liegt bei 33,4 Milliarden Dollar, der Nettogewinn bei 1,1 Milliarden Dollar. Daimler ist mit BAIC, dessen Anteile bislang vollständig im Besitz der Stadt Peking lagen, seit 2006 verbündet. In einem Gemeinschaftsunternehmen namens Beijing Benz Automotive CO (BBAC) werden derzeit die Mercedes-Modelle GLK sowie die C- und E-Klasse produziert. In Kürze soll der kompakte SUV GLA dazukommen. Auch ein gemeinsames Motorenwerk mit zunächst 250.000 Einheiten jährlich hat gerade die Produktion aufgenommen. Die Pkw-Sparte BAIC Motor plant für das kommende Jahr einen Börsengang. Dann sollen die Aktien an der Hongkonger Börse gelistet werden. "BAIC hat sich bereits fest an der Spitze der chinesischen Automobilindustrie etabliert und genießt weltweit Anerkennung. Um BAICs Position weiter zu stärken, stehen wir voll und ganz hinter BAIC Motors geplantem Börsengang. Damit werden wir Teil des wachstumsstarken Automobilmarkts in China und einer der wichtigsten Akteure vor Ort", so Uebber. Durch den Einstieg bei BAIC Motor ist Daimler natürlich direkt am Erfolg oder Misserfolg des chinesischen Herstellers beteiligt. Dabei darf der Finanzchef auch auf sprudelnde Dividendenzahlungen der Konkurrenz hoffen: BAIC Motor unterhält ein sehr erfolgreiches Gemeinschaftsunternehmen mit dem koreanischen Produzenten Hyundai. Mit den zwölf Prozent an BAIC Motor hat Daimler Anspruch auf einen entsprechenden Anteil der JV-Ausschüttungen.Daimler zahlt 625 Millionen Euro
Im eigenen Pkw-Geschäft hinken die Stuttgarter in China derzeit noch weit hinter den Premium-Rivalen Audi und BMW hinterher. Im vergangenen Jahr verkaufte die Marke Mercedes gerade einmal 212.091 Pkw - ein Plus von 3,8 Prozent. Audi steigerte den Absatz um fast 30 Prozent auf 405.838 Fahrzeug, BMW um über 40 Prozent auf 326.444 Einheiten. Im laufenden Jahr rechnet Daimler-China-Vorstand Troska mit einem Anstieg der Pkw-Verkäufe um rund acht bis neun Prozent. Bis 2015 soll der Absatz die Marke in China 300.000 Einheiten erreichen. Mercedes will bis 2020 wieder an die Spitze des weltweiten Premiumsegments zurückkehren und die Konkurrenten bei den Verkäufen und der Rendite überflügeln. Dem chinesischen Markt kommt dabei eine Schlüsselposition zu. "Dieses Jahr feiern wir die zehnjährige strategische Partnerschaft mit BAIC, die seit Anbeginn und dank nachhaltiger Investitionen sehr erfolgreich ist. Dank unseres Einstiegs bei BAIC Motor ist unsere Kooperation heute so stark wie nie zuvor. Mit diesem strategischen Schritt werden wir zukünftig auf einer ganz neuen Ebene zusammenarbeiten und das Potential des chinesischen Automobilmarkts bestmöglich nutzen", so Troska.
Im Zuge des Daimler-Einstiegs erhöht BAIC Motor den Anteil am Joint Venture BBAC um ein Prozent auf 51 Prozent. Hintergrund: Dadurch können die Chinesen das Gemeinschaftsunternehmen konsolidieren und den Unternehmenswert bei einem Börsengang steigern. Im Gegenzug erhält Daimler ein Prozent zusätzlich an der gemeinsamen Vertriebsgesellschaft Beijing Mercedes-Benz Sales Service Corporation (BMBS) und hat dann mit 51 Prozent das Sagen. Nachdem sich in der Vergangenheit die Importgesellschaft und der Vertrieb für lokal produzierte Fahrzeuge gegenseitig Konkurrenz gemacht und Mercedes damit massiv gebremst haben, will Daimler unbedingt die direkte Kontrolle über den Markt haben.Neben den gemeinsamen Pkw-Aktivitäten sind die beiden Unternehmen auch bei den Lkw verbündet: Im Joint Venture Beijing Foton Daimler Automotive Co. Ltd. (BFDA) laufen seit Mitte 2012 gemeinsam produzierte mittelschwere und schwere Lkw der Marke Auman vom Band. "Diese Transaktion ist ein weiterer historischer Meilenstein in einer Partnerschaft, die bereits in der Vergangenheit mit gemeinsamen Produktions- und Vertriebsaktivitäten von Pkw bis Lkw sehr erfolgreich war. Mit der weiteren Vertiefung unserer strategischen Zusammenarbeit sind unsere beiden Unternehmen nun noch besser für eine erfolgreiche Zukunft aufgestellt", so Xu Heyi, Chef der BAIC Gruppe.
BAIC hat im Frühjahr 2013 angekündigt, den Absatz bis 2015 auf 3,6 Millionen Einheiten steigern zu wollen. In diesem Jahr sollen 2,1 Millionen Fahrzeuge verkauft werden. Dabei soll der Anteil von Premium-Pkw von heute 36 auf dann auf 50 Prozent steigen. Vor einiger Zeit hat BAIC Technologie und Werkzeug des Saab-Modells 9-3 erworben. Nach Ansicht von Experten ist der chinesische Hersteller mit seinen eigenen Marken heute noch eher schwach aufgestellt. Mit der Entwicklungshilfe von Daimler könnte sich das ändern.