Europas Autobranche unterschätzt immer noch China

Düsseldorf. Europas Autobauer laufen Gefahr, von der Dynamik in China abgehängt zu werden. Debb Chinas Automarkt verfüge auch noch weit über das laufende Jahrzehnt

hinaus über großes Wachstumspotenziale – "Das Reich der Mitte ist ein automobiler Jahrhundertmarkt“, sagt Helmut Surges, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Management Engineers in Düsseldorf.

"Wer in China nicht aggressiv investieren kann, verliert dort bald Marktanteile – und künftig womöglich auch global“, warnt der Berater. Mittel- und langfristig werde Chinas Automarkt der Automarkt China weiter eine große Dynamik entwickeln und zwar aus eigener Kraft, sagt Surges.

Dafür spreche der enorme Nachholbedarf und das anhaltende Wirtschaftswachsum in dem Land, urteilt Während heute in China auf 1000 Einwohner rund 20 Autos kämen, seien dies in den westlichen Industrienationen stets über 500. Bis 2019 werde China eine Fahrzeugdichte von voraussichtlich 50 Autos pro 1000 Einwohnern erreichen, schätzt Surges. Dieses Niveau hatte Deutschland schon Anfang der 50er Jahre erreicht.

Surges weist auf hohe Kapazitätsreserven der chinesischen Autobranche hin. So habe der Hersteller "Build your Dreams" (BYD) Jahreskapazitäten für über 500.000 Fahrzeuge aufgebaut, obwohl 2008 nur 170.000 Fahrzeuge abgesetzt wurden. Im Jahr 2009 waren es aber schon fast 450.000 Verkäufe, so dass BYD nun schon einen weiteren Kapazitätsausbau um 400.000 Einheiten bis 2013 plans.

Der Hersteller Chery habe die Kapazitäten von 600.000 Fahrzeugen 2009 noch nicht voll auslasten können, plane aber bereits Erweiterungen auf eine Million Fahrzeuge in 2011

Dagegen würden die meisten westlichen Anbieter schon jetzt am Kapazitätslimit operieren. "Jedes Auto, das wir nicht produzieren können, kostet uns im Moment Marktanteile,“ warnt Surges. Immerhin hätten aber auch VW, BMW und GM im vergangenen Jahr ihre Kapazitäten in China ausgeweitet oder seien gerade im Begriff, dies zu tun.

Allein die großen, bekannten Vorhaben führten zu einer Kapazitätssteigerung von über zwei Millionen Einheiten bis 2012/13. Zusammen mit den vielen kleinen chinesischen Autobauern komme die Branche auf ein Kapazitätswachstum von mindestens 30 Prozent. "Die chinesischen Automoiblkapazitäten wären damit etwa doppelt so hoch wie die Deutschlands,“ macht Surges das Ausmaß dieser Entwicklung deutlich.

Oft unterschätzt werde auch die Innovationsfreude der Chinesen, warnt Surges. "Noch spielen die westlichen Anbieter in Punkto Image und Qualität in einer anderen Liga.“ Die chinesischen Verfolger würden aber schon bald auf Ballhöhe mitspielen können.

Die chinesische Automobilindustrie setze voll auf Innovationen – mit zwei Perspektiven, Weltmarktführer im Bereich Elektromobilität einerseits und "Fast Follower“ bei klassischen Antriebstechnologien sowie Qualitäts- und Sicherheitsstandards andererseits. So habe der Hersteller "Greatwall" für sein Modell "Coolbear" inzwischen die europäische Zulassung einschließlich aller erforderlichen Crash- und Umwelttests absolviert. Auch der zuletzt noch spektakulär in Deutschland gescheiterte Hersteller Brilliance habe in Sachen Sicherheitsstandards erstaunlich schnell aufgeholt.

Nicht zu unterschätzen seien auch in den Bereichen Qualität und Sicherheit die massiven Förderungen durch die chinesische Regierung. So sei die zentrale Prüfstelle in Tianjin eine der modernsten Crashtest-

Anlagen der Welt, betont Surges. Universitäten wie Tongji in Shanghai und Tsinghua in Beijing betrieben modernste Fahrwerks- und Motorenprüfstände zur Untersuchung klassischer und alternativer Antriebskonzepte.

Besonders schwierig sei die Perspektive für die westlichen Zulieferer, weil in China in den nächsten Jahren ein Preisverfall von bis zu 25 Prozent anstehe bei gleichzeitig hohem Investitionsbedarf, fügt Surges noch hinzu. Die westlichen Anbieter müssten deshalb "chinesischer“ werden. "Eine weitere Lokalisierung von Komponenten, die Produktion mit Maschinen aus China oder auch die Etablierung von Entwicklungsaktivitäten am Standort China sind Ansätze, die von führenden westlichen Lieferanten bereits erfolgreich betrieben werden."