Stuttgart. In der Niederlassung Hamburg testet Mercedes ab Dienstag (3.12.) den Neuwagenverkauf im Internet in der Praxis. Im ersten Quartal 2014 startet die Niederlassung im polnischen Warschau den Online-Handel. "Wir zielen mit diesem Angebot auf Convenience-Käufer und wollen nicht über den Preis verkaufen", stellt Andrea Finkbeiner-Müller, Leiterin Händlernetzentwicklung und Kundenzufriedenheit bei Mercedes-Benz, klar. Dennoch kommen auch die Schwaben in ihrem Online-Store "Mercedes-Benz connect me" nicht an der Realität vorbei. Die angebotenen vorkonfigurierten Fahrzeuge orientieren sich an den Marktpreisen, wie Finkbeiner-Müller einräumt. Das heißt, die Ausstattungspakete sind so kalkuliert wie sie aktuell im Handel dem Kunden angeboten werden. Außerdem erhalten die Kunden beim Kauf ein "Goodie": Sie können zum Beispiel ein Rennen der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft besuchen oder eine M-Klasse ein Wochenende lang nutzen.
Mercedes ist nach eigenen Angaben der erste Autohersteller weltweit, der in den Internetvertrieb von Neufahrzeugen einsteigt. Zum Start bietet die Niederlassung in Hamburg mehr als 70 vorkonfigurierte Fahrzeuge an. Der Schwerpunkt liegt mit der A- und B-Klasse sowie dem viertürigen kompakten Coupé CLA im Einstiegssegment. Als so genannter Brandshaper wird auch der über 80.000 Euro kostende CLS Shooting Brake angeboten. Nach Informationen der Automobilwoche wird im nächsten Jahr auch die neue C-Klasse dazukommen. Im virtuellen Schaufenster stehen Fahrzeuge mit den gängigsten Ausstattungsvarianten und Kombinationen. Allerdings gibt es keinen Barkauf. Es lassen sich nur Leasing-Komplettverträge mit Haftfpflicht- und Vollkaskoversicherung, Wartung und Verschleißreparaturen sowie Überführung und Zulassung abschließen.Keine Rabatte - aber "marktübliche Preise"
"Wenn die Tests erfolgreich sind, werden wir den Internetvertrieb weiter ausrollen", so Finkbeiner-Müller. Mercedes lässt keinen Zweifel daran, dass der Online-Store vor allem neue, jüngere Kunden von Fremdmarken erobern soll. "Das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor", so die Managerin. Volumen stehe nicht im Vordergrund. Dennoch beobachten Autohändler den Direktvertrieb von Herstellern mit kritischen Augen. Mercedes hat deshalb die eigenen Vertreter sowie Händler frühzeitig eingebunden. "Wir haben intensive Gespräche mit dem deutschen Vertreterverband und dem europäischen Händlerverband gehabt", so Finkbeiner-Müller. Ergebnis: In der Testphase erhalten die Händler die volle Marge für einen Neuwagen, der im Internet verkauft wurde. Zum Start müssen die Händler praktisch nur die Probefahrten organisieren. Den Rest erledigt die Niederlassung Hamburg. Später soll die gesamte Betreuung und Abwicklung des Kaufprozesse in der Hand des Vertriebspartners - Niederlassung oder Händler - liegen. Dazu gehört auch die Inzahlungnahme eines Gebrauchtfahrzeugs. "Wie das künftige Margenmodell aussieht, ist bisher weder besprochen noch verhandelt", so die Managerin.
In Zukunft werde es bestimmte Betreibermodelle geben, so die Händlernetzleiterin. Entweder Mercedes stelle die Online-Plattform den Händlern zur Verfügung, so dass diese dort ihre eigenen Angebote einstellen können. "Oder wir einigen uns darauf, dass wir bestimmte Autos über diesen Kanal vertreiben. Meiner Ansicht nach wird es eher in Richtung der zweiten Variante gehen", stellt Finkbeiner-Müller klar.Um ein Fahrzeug kaufen zu können, muss sich der Interessierte zunächst registrieren. Dann erhält er Zugang zum Online-Store. Dort kann er die angebotenen Modelle anschauen - allerdings nur in Form von Fotos. Es gibt keine Videos oder gar live geführte Fahrzeugpräsentation. Dafür gibt es die Möglichkeit, in einem Chat mit Verkäufern Fragen zu stellen und sich beraten zu lassen. Auch die Vermittlung eines mobilen Verkäufers, der bei Bedarf spezifisch auf die Wünsche des Kunden eingehen kann, ist vorgesehen.
Auch wenn der Test von Mercedes in Hamburg und Warschau eher den lokalen Markt adressiert und nur regional beworben wird, sind dem Direktvertrieb übers Internet keine regionalen Schranken gesetzt. "Das Web hat keine Mauern", formuliert es Finkbeiner-Müller. Entsprechend erhält jeder Kunde, der in Deutschland ein Auto bei Mercedes online bestellt dieses auch ausgeliefert. Selbst Aufträge aus dem Ausland wollen die Schwaben erfüllen. Wie lange die Testphase laufen soll, ist noch offen. Für Mercedes ist wichtig, die Kunden - und vor allem solche von Fremdmarken - jederzeit abholen zu können. "Die Kunden sollen die Wahlmöglichkeiten haben, wann, wo und wie sie mit uns in Kontakt treten wollen", so Finkbeiner-Müller.