Stuttgart. In den ersten zehn Monaten hat Daimler Financial Services erstmals drei Millionen Fahrzeuge finanziert und steuert auch im Gesamtjahr auf ein Rekordgeschäft zu. Dennoch rechnet die Sparte des Stuttgarter Daimler-Konzerns bestenfalls mit einem stagnierenden Gewinn. "Unser Ziel für das Gesamtjahr ist ein Gewinn vor Zinsen und Steuern in der Größenordnung von rund 1,25 Milliarden Euro. Damit werden wir unseren Eigenkapitalrendite-Anspruch von mindestens 17 Prozent übertreffen", sagte Klaus Entenmann, der seit Dezember 2009 Chef des Daimler-Finanzdienstleistungsgeschäfts ist. Das Neugeschäft - also der Gegenwert aller neu abgeschlossenen Finanzierungs- und Leasing-Verträge - stieg in den ersten zehn Monaten um sechs Prozent auf 33 Milliarden Euro, Ende Oktober betrug das Vertragsvolumen 82 Milliarden Dollar - drei Prozent mehr als im Vorjahr. Und ohne negative Wechselkurseffekte durch den starken Euro wäre das Vertragsvolumen um drei Milliarden Euro höher ausgefallen. Das Versicherungsgeschäft legte um 20 Prozent auf 1,030 Millionen Verträge zu.
DFS bietet für alle Fahrzeugsparten des Daimler-Konzerns Finanzierungs- und Leasing-Verträge sowie Versicherungen oder kombinierte Produkte an. Vier von zehn Fahrzeugen der Stuttgarter werden heute weltweit finanziert oder geleast (Penetrationsrate 43 Prozent). Wachstumsfeld ist das Versicherungsgeschäft, das die Fahrzeuge im eigenen Werkstattnetz halten und so dem Händler zusätzliche Umsätze sichern sowie das Geschäft mit Originalersatzteilen ankurbeln soll. Drittes Standbein sind Händlerfinanzierungen. Noch im Aufbau befinden sich die Aktivitäten um Mobilitätsdienstleistungen wie das CarSharing "Car2go", die ebenfalls in der Sparte angesiedelt sind. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) lag 2012 bei 1,292 Milliarden Euro. Die Rentabilität von DFS geht schon seit zwei Jahren zurück: Betrug die Eigenkapitalrendite 2011 noch 25,5 Prozent, lag sie vergangenes Jahr nur noch bei 21,9 Prozent.Niedrige Zinsen und Kompakte drücken Gewinn
Viel weitreichendere Folgen auf die Profitabilität von DFS als die Wechselkurse hat das weltweit niedrige Zinsniveau. "Wenn die Zinsen niedrig sind, haben die Banken eine hohe Liquidität, die sie versuchen im Markt unterzubringen. Das drückt unsere Margen", so Entenmann. Anders ausgedrückt: Normale Geschäftsbanken dringen mit billigem Geld in die Fahrzeugfinanzierung vor und setzen im Kampf um den Kunden einen Wettbewerb um die günstigsten Konditionen in Gang. Was einerseits ein Fluch ist, wirkt aus einer anderen Perspektive als Segen: Durch die niedrigen Zinsen sinkt für die Autobanken das Kreditausfall-Risiko. Bei DFS sind die Nettokreditverluste unter einem Wert von 0,5 Prozent des Vertragsvolumens angelangt - ein Zehn-Jahres-Tief. "Die Zahlungsmoral unserer Kunden ist sehr gut, unser Portfolio ist kerngesund", so Entenmann.
Fluch und Segen zugleich ist für DFS auch die Expansion von Daimler im Kompaktwagensegment. Dort profitiert der Finanzdienstleister vom hohen Absatzwachstum der neuen A- und B-Klasse sowie vom kompakten viertürigen Coupé CLA. "Wir erreichen mit diesen Fahrzeugen vergleichbare Penetrationsraten wie bei der C-, E- und S-Klasse. Das durchschnittliche Volumen pro Vertrag ist aber deutlich geringer", erklärt der Manager. Grob gerechnet muss DFS fünf Kompaktmodelle finanzieren, um auf das Vertragsvolumen der S-Klasse zu kommen - und das bei praktisch gleichem Aufwand pro Vertrag. Um die Abwicklung des Geschäfts zu automatisieren und zu industrialisieren, investiert DFS hohe Summen in IT.In den kommenden Jahren will DFS vom angestrebten Wachstum der Pkw,- Lkw-, Van- und Bus-Sparte profitieren. Bis 2020 soll das weltweite Portfolio verdoppelt werden und dann sechs Millionen Fahrzeuge im Bestand sein. Treiber ist vor allem die Pkw-Sparte, die bis zum Ende des Jahrzehnts den Absatz auf rund 2,6 Millionen Fahrzeuge ausbauen will. Mit dieser Wachstumsstrategie geht die Expansion der Finanzdienstleistungen in neue Märkte einher. Bereits heute erreicht DFS in China, wo Mercedes im Pkw-Geschäft weit unterproportional zum Markt wächst, eine Penetrationsrate von 20 Prozent. "Da sind wir im Barzahler-Markt China sehr gut unterwegs", so Entenmann.Noch im Aufbau befinden sich die Mobilitätsdienstleistungen, die in der DFS-Tochter Daimler Mobility Services gebündelt sind. Dazu gehört der Car-Sharing-Service Car2go, die Parkplatzvermietung Park2gether, die App "Moovel" für intermodalen Verkehr sowie die erst kürzlich gestartete Autovermietung MB Rent. Am weitesten ist Car2go, das weltweit inzwischen in 25 Städten angeboten wird und das 2015 erstmals die Gewinnschwelle erreichen soll. Ein neuer Service ist MB Rent. Die Autovermietung wird in Mercedes-Niederlassungen und bei ausgewählten Händlern angeboten. Die Dienstleistung soll die Schnittstelle zwischen Kurzzeitmiete und dem normalen Geschäft mit Mietwagen darstellen. Kunden können etwa eine M-Klasse für den Urlaub mieten, eine S-Klasse für die Hochzeit oder einen Sprinter für den Umzug. Seit dem Start verzeichnete Mercedes 115.000 Vermietungen und 290.000 Miettage. "Diese Zahlen können sich sehen lassen," so Entenmann. In den kommenden zwei Jahren soll das Mietkonzept gemeinsam mit dem Handel in sechs europäischen Ländern flächendeckend angeboten werden.
Auch im kommenden Jahr will DFS den Wachstumskurs fortsetzen. "Die Mercedes-Modelloffensive sowie unsere attraktiven Nutzfahrzeugmodelle sorgen auch im Finanzierungs- und Leasinggeschäft für Rückenwind", so Entenmann. Eine Aussage zu den Gewinnaussichten wollte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht treffen. Insgesamt aber rechnet er mit einem anhaltend niedrigen Zinsniveau weltweit. Der Kampf um den Kunden mit günstigen Finanzierungskonditionen dürfte also anhalten und weiter auf die Margen drücken.