Um exakt fünf Minuten vor zwölf fliegen die ersten Kugeln. Mit einer kurzen Boßel-Einlage dieser traditionellen Freiluft-Sportart an der Nordseeküste beginnt das schwedische Unternehmen Northvolt den Bau seiner «Gigafactory» für E-Auto-Batterien bei Heide. Danach drücken unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) den Startknopf für Gründungsarbeiten des ersten Fabrikgebäudes. Das Werk nährt dabei auch die Hoffnung, Deutschland unabhängiger von asiatischen Batterie-Herstellern zu machen.
Spatenstich für Northvolts Batteriefabrik in Heide
Ab 2026 will Northvolt in Heide Batteriezellen für Elektroautos bauen. Den Startschuss dafür gaben Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck. Die Förderung für das Werk ist gigantisch.
Erst 2021 starteten Gespräche über den Bau des 4,5-Milliarden-Projekts. 2026 will Northvolt dort bereits die ersten Batterien vom Band rollen lassen. Scholz nennt das anerkennend «Dithmarschen-Geschwindigkeit». Die Energiewende habe die Spielregeln verändert. Windig und sonnig sei es an vielen Orten. Aber: Noch würden diese Standortvorteile nicht überall in Deutschland schon so gut genutzt wie in Dithmarschen.
Bund und Land fördern die Batteriefabrik mit rund 700 Millionen Euro. Hinzu kommen mögliche Garantien über weitere 202 Millionen Euro, die noch bewilligt werden müssen. Bundeswirtschaftsminister Habeck sprach von «einem der größten Industrieprojekte für die Zukunft Deutschlands». Vieles an der Westküste werde sich damit ändern.
Dithmarschen gilt als strukturschwache Region und will von Northvolt sowie erwarteten 10.000 Jobs im Umfeld profitieren. «Das wird schon eine Initialzündung werden», sagte Günther. Der Weg Schleswig-Holsteins, auf Ökostrom zu setzen, sei richtig gewesen. Für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur rund um das Werk brauche das kleine Land Hilfe des Bundes. Für die Bahn müssten Brücken erneuert werden.
Mit Fabriken wie bei Heide will die EU die Dominanz asiatischer Hersteller bei der Produktion von E-Auto-Batterien brechen. An mehreren Standorten in Deutschland und Europa sind neue Produktionsstätten geplant: Die VW-Tochter PowerCo baut eine Zellfabrik in Salzgitter und eine weitere in Valencia in Spanien. Tesla plant eine Batteriefabrik neben seinem Werk in Grünheide, die Opel-Mutter Stellantis mit Mercedes-Benz und dem Energiekonzern Total eine in Kaiserslautern.
Zuletzt hat sich die Stimmung aber deutlich abgekühlt. Vor allem die hohen Strompreise in Deutschland machen der Branche Sorgen. Die Batterieproduktion benötigt viel Strom. Zudem locken die USA und Kanada seit dem Inflation Reduction Act von US-Präsident Joe Biden mit hohen Subventionen. VW hat die Pläne für ein drittes Batteriewerk in Europa bereits auf Eis gelegt und baut stattdessen in Kanada.
Bisher ist der Markt für E-Auto-Batterien fest in asiatischer Hand. Mehr als die Hälfte aller Batteriezellen stammten 2023 von Herstellern aus China, so das südkoreanische Marktforschungsunternehmen SNE Research. Auch die deutschen Autobauer beziehen die Akkus für ihre Elektroautos bisher meist aus Asien oder europäischen Werken der dortigen Firmen wie dem 2023 eröffneten CATL-Standort in Arnstadt bei Erfurt.
Wegen des Hochlaufs der Elektromobilität erwarten Experten einen stark steigenden Bedarf an Batteriezellen. Die Unternehmensberatungen Roland Berger und McKinsey gehen davon aus, dass sich die Nachfrage bis 2030 fast versiebenfachen wird, von zuletzt rund 700 Gigawattstunden auf 4700 bis 4900 Gigawattstunden.
«Northvolt Drei» bei Heide soll 3000 direkte Arbeitsplätze bieten, wenn die Produktion 2029 voll hochgefahren ist. Bis zu einer Million Batteriezellen für Elektroautos sind pro Jahr geplant. Northvolt-Chef Peter Carlsson verwies auf den Energieüberschuss der windreichen Region. «Wir haben den perfekten Standort gefunden.» Dieser habe das erst sieben Jahre alte Unternehmen mit offenen Armen empfangen.
Das Unternehmen will nicht weniger als die «grünste Batterie der Welt in Serie» produzieren. Das Werk soll geklärtes Abwasser aus der Region für Kühlzwecke nutzen. Wärme aus der Produktion könnte an ein mögliches Fernwärmenetz der Stadt Heide abgegeben werden. Angedacht ist auch eine Anlage zum Recycling von Altbatterien ausrangierter E-Autos. dpa/hev