Tarifstreit in historischer Auto-Krise

Natürlich geht es um VW. Für Barbara Resch, Bezirkschefin der IG Metall in Baden-Württemberg, sind es die ersten Tarifverhandlungen. Vor dem Auftakt hat sie Journalisten zum Hintergrundgespräch geladen. Und gleich zu Beginn taucht die Frage auf, ob Tarifkündigungen auch im tariftreuen Südwesten wahrscheinlicher werden.

Resch spricht von einem nie dagewesenen Kulturbruch in Wolfsburg. "Wir stellen uns darauf ein, dass auch Unternehmen in Baden-Württemberg diesen Schritt dazu nutzen werden, um aus dem Tarif auszutreten. Aber klar ist auch, dass wir um jeden Betrieb kämpfen werden", sagt sie.

Es dürften die wohl schwersten Tarifverhandlungen der jüngeren Geschichte werden. Denn die Branche steckt in einer historischen Krise. Das streitet auch die IG Metall nicht ab. Die Probleme von Volkswagen sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Viel düsterer sieht es bei den Mittelständlern aus, die noch immer das Rückgrat der deutschen Industrie sind. Viele von ihnen fürchten ein VW-Nachbeben.

"Diese Einschnitte werden auch für die Zulieferer in Deutschland gravierende Folgen haben. Wenn es eh schon nicht gut läuft, kann das ein herber Schlag sein", sagt Pascal Schiefer, CEO der Carl Leipold GmbH, die mit rund 200 Mitarbeitern Präzisionsteile für Motoren oder Ladesäulen fertigt.

Mit der Krise bei VW wird die ohnehin schon schwierige Lage bei den Zulieferern um einen weiteren Faktor verschärft. Große Schwankungen bei den Stückzahlen, überbordende Bürokratie und zunehmender Konkurrenzdruck aus Asien lassen die Unternehmen ächzen.

Dazu fehlt schlicht das Wachstum So rechnet eine aktuelle PwC-Studie erst für 2028 wieder mit Pkw-Absatzzahlen auf dem Niveau von 2017. Europa und die USA gelten allerdings als weitgehend gesättigte Märkte. Zuwächse verzeichnen nur noch Länder wie China oder andere asiatische Regionen.  

Vor allem kleinere Unternehmen sehen keinen Spielraum für Lohnerhöhungen. "Eine schicksalhafte Bedeutung kommt jetzt auch den Tarifpartnern zu, die mit einem vernünftigen Tarifabschluss dazu beitragen könnten, Wertschöpfung in Deutschland zu halten", appelliert Christoph Münzer, Vorsitzender des Branchenverbands WVIB, der Mittelständler mit 100.000 Beschäftigten in der Region Schwarzwald vertritt. Harald Marquardt, Verhandlungsführer von Südwest-Metall und selbst CEO eines Zulieferers, hatte bereits im Vorfeld eine Nullrunde gefordert, die angesichts der aktuellen Situation angemessen sei.

Die IG Metall dagegen hält an ihrer Forderung nach sieben Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten fest. Auszubildende der Metall- und Elektroindustrie sollen pauschal 170 Euro mehr bekommen. Resch sieht zwar die angespannte wirtschaftliche Lage, verweist aber auf das schlechte Konsumklima in Deutschland.

Die Preise seien von 2020 bis 2025 um 22 Prozent gestiegen, die Löhne hätten trotz Inflationsprämie nicht mitgehalten. Mit einer deutlichen Erhöhung könne die Kaufkraft gestärkt und die Nachfrage angekurbelt werden. Idealerweise führe dies auch zu einem höheren Absatz bei Autos, Maschinen oder Traktoren.

Resch verweist auf Themen der Autoindustrie, die ein größeres Gewicht hätten bei der Zukunftsbewältigung als die Lohnkosten. Dazu zählt sie etwa die Produktivität, die seit Jahren stagniere. Oder aber Innovation, wo Deutschland beispielsweise hinter Japan abgefallen sei. Zu oft fehle außerdem eine stringente Strategie für die Transformation.

Auch der Fachkräftemangel sei trotz Jobabbaus bei vielen Zulieferern nach wie vor ein Problem. 14 Prozent der Ausbildungsplätze in der Metall- und Elektroindustrie konnten zuletzt nicht mehr besetzt werden. Vor zehn Jahren waren es drei Prozent. Durch höhere Vergütungen soll dieser Trend gestoppt werden.

Am Ende des ersten Verhandlungstags treten beide Seiten vor die Presse und verkünden wie erwartet, dass sich an den Positionen noch nichts verändert hat. "Ich habe einen Auftrag von den Beschäftigten, es braucht eine nachhaltige Erhöhung der Entgelte", sagt Resch.

Wer das ignoriere, der provoziere Konflikte, warnt sie. Gleichzeitig betont die Bezirkschefin der IG Metall aber die gute Gesprächsatmosphäre und die ähnliche Analyse der Situation. Ihre Erwartungen für die zweite Verhandlungsrunde am 15. Oktober sind klar: "Wir wollen ein verhandlungsfähiges Angebot auf dem Tisch."

Ob das so kommt, mag Harald Marquardt, Verhandlungsführer von Südwestmetall, nicht bestätigen. Bei den sieben Prozent handle es sich um eine überzogene Forderung, die nicht in die Zeit passe, in der eine konjunkturelle und eine strukturelle Krise sich überlagerten.

Der Durchschnittslohn der Metallindustrie liege mit 81.000 Euro ohnehin schon sehr hoch. Er deutete aber an, dass die Arbeitgeber an einer schnellen Lösung interessiert sind und die Forderung nach einer Nullrunde nicht wirklich ernst gemeint war. "Dass irgendwas kommen wird, wissen wir auch", so Marquardt. "Aber bis dahin sind noch harte Bretter zu bohren."