Stuttgart. Angesichts des Vertrauensverlusts ist fraglich, ob das Topmanagement gleichzeitig die Kraft hat, wichtige Weichenstellungen zur Expansion einerseits und zur Kosteneinsparung andererseits im Einvernehmen oder sogar gegen die Belegschaft auf den Weg zu bringen. Was ist passiert? Die Arbeitnehmer- Bank im Aufsichtsrat hat geschlossen die Vertragsverlängerung von Zetsche abgelehnt, die mit einer Laufzeit von fünf Jahren als sicher galt. In Verhandlungen, die sich über drei Wochen hinzogen, hat man sich mit Aufsichtsratschef Manfred Bischoff schließlich auf einen Kompromiss geeinigt: Zetsche erhält wie Forschungs- und Entwicklungschef Thomas Weber einen neuen Vertrag über drei Jahre bis Ende 2016. Als Bedingung dafür setzten die Arbeitnehmervertreter unter der Führung von Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm eine Personalrochade im Vorstand durch: Der umstrittene Produktions- und Einkaufschef der Pkw-Sparte, Wolfgang Bernhard, muss die Lkw-Sparte übernehmen. Truck-Chef Andreas Renschler wechselt auf Bernhards Stuhl. "Wir erwarten, dass das Unternehmen Strategie und Ziele gemeinsam entwickelt und nicht gegen die Belegschaft“, so Klemm. Daimler will die alleinige Schuld für den Super-GAU dem Betriebsratschef zuschieben, der "sich ein Denkmal setzen will“.
Die tatsächliche Situation ist jedoch weit komplexer: "Wir haben Aufsichtsratschef Bischoff klargemacht, dass wir nicht glauben, dass Mercedes auf die eingeschlagene Art und Weise wieder die Nummer eins im Premiumsegment werden kann“, so ein Aufsichtsratsmitglied zur Automobilwoche. Tatsächlich haben sich zunächst alle Arbeitnehmervertreter des Gremiums – seien es die Mitglieder der IG Metall, der Unabhängige Ansgar Osseforth und sogar Heinrich Flegel, der Vertreter der leitenden Angestellten – gegen Zetsche gestellt. Dabei ging es nicht nur um einen Denkzettel für den Daimler-Chef, es ging vor allem gegen Bernhard. "Wir können mit dem Bernhard nicht mehr“, sei die klare Botschaft aus den Werken gewesen, berichtet der Aufsichtsrat.
Dabei betonen die Arbeitnehmervertreter ausdrücklich, dass Daimler angesichts der zu hohen Kosten eine Neuausrichtung braucht. "Wir wissen, dass es ohne eine Weiterentwicklung der Effizienz nicht geht. Wir als Betriebsrat wollen das vernünftig gestalten“, sagte Klemm vor Kurzem im Interview mit der Automobilwoche. Mercedes-Benz Cars steht vor großen Herausforderungen: Bis spätestens 2020 soll die Sparte bei Absatz und Profitabilität die bayerischen Rivalen BMW und Audi überholen und wieder zur Nummer eins im Premiumsegment werden. Um dies zu erreichen, will Mercedes die Verkäufe auf 2,6 Millionen Einheiten verdoppeln. Dazu müssen auch die Fertigungskapazitäten verdoppelt werden, wobei dies praktisch nur im Ausland erfolgen soll.
Gleichzeitig muss die Sparte die Kosten dauerhaft um mindestens sechs Milliarden Euro senken. "Alle Kostensenkungsprogramme der Vergangenheit haben nicht die Strukturen verändert, sondern nur die Budgets gekappt“, so ein langjähriger Unternehmenskenner. "Daimler hat kein Analyseproblem, es mangelt an der stringenten Umsetzung.“ Daimler und Aufsichtsratschef Bischoff stehen turbulente Jahre bevor. "Wir wollen klare Signale sehen. Dabei geht es auch um die Frage, ob Daimler neue Vorstandsressorts braucht – etwa für den Vertrieb“, so das Aufsichtsratsmitglied.