Berlin. Bosch-Aufsichtsratschef Franz Fehrenbach sieht die deutsche Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr und macht dafür in erster Linie die Politik verantwortlich. "Wenn die Politik Deutschlands Exportstärke und damit Deutschlands Industriearbeitsplätze verteidigen will, dann muss sie weiterhin Reformen wagen. Nötig ist ein Projekt, das aufs Neue Wachstumskräfte in der Gesellschaft freisetzt - und dafür sollte gerade eine breite Mehrheit Strukturveränderungen nicht scheuen", mahnte der Manager in seiner Ansprache auf dem Automobilwoche Kongress. Wirklich groß werde die Große Koalition nur dann, wenn ihr ein großer Wurf für die Zukunftsfähigkeit des Landes gelinge, sagte er mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD. Der Erfolg der deutschen Autoindustrie beruht seiner Ansicht nach auf der Exportstärke und der Innovationskraft. Um inmitten eines fortschreitenden globalen Wettbewerbs und großer Technologieumbrüche weiter erfolgreich zu sein, "muss diese Branche so innovativ bleiben, dass sie sich nicht überfahren lässt."
Für Fehrenbach ist klar, dass die deutsche Autoindustrie weltweit Kapazitäten aufbauen muss, ohne allerdings die wesentlichen Stärken des Standorts Deutschland zu verlieren: Qualität und Innovationskraft. "Von uns selbst müssen wir eine weitere Offensive in der Globalisierung unserer Branche verlangen - schon deshalb, weil sich der europäische Markt kurzfristig kaum durchgreifend und nachhaltig erholen wird", so der Bosch-Aufsichtsratschef.Eine Schlüsselrolle bei der Fortschreibung der Wettbewerbsfähigkeit wies er allerdings der Politik zu. Dabei ist die Mängelliste des Bosch-Managers lang: Sie reicht von zu geringen Bildungsinvestitionen, den ausufernden Energiekosten über die undifferenzierte Ausgestaltung der europäischen Emissionsregeln und mangelnde Investitionen in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur bis zu der Feststellung, dass das Straßennetz insgesamt intelligenter werden muss. Und dabei ging er auf die aktuelle Diskussion um die gesetzliche Beschränkung von Leiharbeit, Werkverträgen und den geforderten Mindestlohn von 8,50 Euro noch gar nicht ein.Fehrenbach kritisiert Politik: "Hoher Verbrauch, blockierende Räder"
"In Zukunft setzen die modernsten Fahrzeuge die modernste Infrastruktur voraus. So betrachtet können Politik und Wirtschaft zusammenwirken, damit die deutsche Autoindustrie nicht von anderen überholt oder gar überfahren wird", so Fehrenbach. Politische Rahmenbedingungen müssten sich ändern, damit Deutschland über die Prototypen-Phase hinauskomme. Er bezog sich dabei auf die Vernetzung der Fahrzeuge mit dem Internet und das automatisierte Fahren. Projekte für die Car-2-Car- und Car-2-Infrastructure-Kommunikation gab es seiner Ansicht nach schon einige. Sie müssten aber auch bald flächendeckend kommen.
Eine Chance dafürsieht Fehrenbach in intelligenten elektronischen Straßennutzungssystemen, die das knappe Gut des staufreien Fahrens mit einem Preis versehen. Dabei plädierte er für die Einführung einer Pkw-Maut, aber "bitte nicht über eine dumme Vignette". Die deutschen Autofahrer sind seiner Ansicht nach schon jetzt über Gebühr belastet. "Sie steuern acht Prozent zu den jährlichen Einnahmen des Fiskus bei - und bekommen dafür viel zu wenig Straßenbau und Infrastruktur zurück", so Fehrenbach. Es gebe also eine berechtigte Enttäuschung über die Politik, die Mittel immer wieder zweckentfremdet verwendet - zum Stopfen von Ausgabenlöchern statt von Schlaglöchern.Der aktuellen Diskussion um die künftige Emissionsgesetzgebung bescheinigt der Bosch-Manager "leicht irrationale Züge". Es entstehe der Anschein, die Autoindustrie sei hauptverantwortlich für den weltweiten Klimawandel. "Tatsächlich tragen Gebäude weit mehr zum Kohlendioxidausstoß bei als der Straßenverkehr. Doch der Heizkessel bleibt im dunklen Keller der Debatte, das Auto hingegen, blitzblank sichtbar für jedermann, gilt als der Klimawandler Nummer eins", stellte Fehrenbach klar. Dabei stellte er das von der Europäischen Union gewünschte Emissionsziel von 95 Gramm CO2 je Kilometer nicht grundsätzlich zur Debatte. Technisch sei eine Verbrauchsreduzierung von 20 Prozent bei Diesel- und Benzinmotoren durchaus zu schaffen. Vor allem Fahrzeuge der Oberklasse benötigten allerdings Zusatzpakete wie etwa den Plug-in-Hybrid. Der Aufwand für die Hersteller großer Fahrzeug sei hoch. "Es geht darum, wie sich der Klimaschutz in allen Fahrzeugklassen rechnet. Denn ein Einheitsauto kann niemand wollen", unterstrich Fehrenbach. Innovationen sollten in allen Fahrzeugklassen gefördert werden, zum Beispiel durch stärkere Anreize für Niedrigemissionsautos über Supercredits. Gleichzeitig mahnte er die Industrie, in ihren hohen Vorleistungen für die Elektromobilität nicht nachzulassen.
Neben aller bewunderter Ingenieurskunst bleiben nach Ansicht Fehrenbachs deutsche Autos nur dann Spitze, wenn die Zukunft des Fahrens auch und vor allem in Deutschland erfahren werden kann: "Die Schlussfrage aber ist, ob dieses Land auch wirklich Spitze bleiben will." Er verglich die Koalitionsverhandlungen über wichtige Weichenstellungen für die Wirtschaft mit der Entwicklung eines neuen Autos und kam zum Schluss: "Hoher Verbrauch und blockierende Räder - das neue Modell würde nicht einmal die geltenden politischen Vorgaben erfüllen."