München. Das Debakel um die Einführung der Spritsorte E10 rückt die lange wenig beachtete Erforschung von Biokraftstoffen der zweiten Generation in den Blickpunkt. Anders als Spritzusätze der ersten Generation ŕ la E10, die auf potenziellen Nahrungsmitteln wie Getreide basieren, werden Biokraftstoffe der zweiten Generation ausschließlich aus Abfallstoffen wie Bruchholz oder Strohresten gewonnen, für die es sonst keine Verwendung gibt. Ein verheißungsvolles Projekt treibt Choren im sächsischen Freiberg voran. In den Laboren des Unternehmens, an dem die Konzerne VW und Daimler beteiligt sind, wird Synthesegas aus Reststoffen gewonnen, das zu sogenanntem SunDiesel veredelt wird. Wie Automobilwoche aus Unternehmenskreisen erfuhr, soll Ende dieses Jahres in Freiberg die Inbetriebnahme größerer Anlagen für die SunDiesel-Produktion erfolgen.
Eine Choren-Sprecherin erklärte dazu, man wolle zunächst noch „die Technologie weiter optimieren und einige Umbauten vornehmen, etwa zur Erhöhung der Bedienerfreundlichkeit“. Vor dem Anfahren derneuenAnlagen sei zudem die Genehmigung der zuständigen Prüfbehörden einzuholen. In Wolfsburg und Stuttgart ist die Zuversicht groß: „Volkswagen ist an Choren nach wie vor beteiligt, da wir fest davon überzeugt sind, dass die biogenen Kraftstoffe der zweiten Generation künftig einen wichtigen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen leisten können“, sagte VW-Konzernforschungschef Jürgen Leohold auf Anfrage dieser Zeitung. Mit Optimismus blickt auch Daimler auf Choren: „Aus unserer Sicht ist das Verfahren technisch bereits recht weit fortgeschritten“, so ein Sprecher.
„Und wir haben gemeinsam mit Choren gezeigt, dass sich der Kraftstoff problemlos in unseren Dieselfahrzeugen einsetzen lässt.“ Doch nach Einschätzung von VW-Chefforscher Leohold bietet neben SunDiesel und innovativen „technischen Maßnahmen in den Verbrennungsmotoren künftiger Fahrzeuge“ auch die Beschäftigung mit biogenen Benzinsorten gute Perspektiven für die CO2- Bilanz. „Daher haben wir neben Choren, die sich auf die Herstellung von SunDiesel spezialisiert haben, auch Partner, die sich um die Herstellung von Bioethanol aus Zellulose kümmern.“
Dazu zählt etwa das kanadische Unternehmen Iogen, das in einer Pilotanlage in Ottawa bereits Ethanol aus Strohballen gewinnt. „Die Preise für Rohöl und Rohstoffe steigen – teilweise spekulationsgetrieben“, so VW-Konzernchef Martin Winterkorn. „Gleichzeitig ist ein neues Technologie- Zeitalter angebrochen.“ Die Forerung des VW-Strategen: „Wir müssen neue Energiequellen für das Automobil nutzbar machen.“ Bei den biogenen Kraftstoffen der zweiten Generation hofft die Autoindustrie auf die Unterstützung der Spritproduzenten: „Prinzipiell wäre ein größeres Engagement der Mineralölindustrie bei alternativen Kraftstoffen wünschenswert“, heißt es bei Daimler. VW-Chef Winterkorn konstatiert: „Ein Partner aus der Energiebranche wäre nicht schlecht.“