Der Kampf um das Internet im Auto

Stuttgart. Mit dem Siegeszug des Smartphones ist nun auch im Auto der Kampf um die kommende Navigations-und Infotainment-Plattform entbrannt. Die Vernetzung des Fahrzeugs soll nicht nur der IT-und Mobilfunkbranche einen neuen, lukrativen Wachstumsmarkt erschließen. Von der erwarteten Öffnung der Systeme wollen viele andere wie Versicherer und Verkehrsclubs mit neuen Geschäftsmodellen profitieren. Während diese Ambitionen noch Zukunftsmusik sind, drängen die Deutsche Telekom, HP, Microsoft und Google sowie Apple und Nokia – um nur einige zu nennen – mit Macht ins Auto.

Verdienen wollen sie mehrfach: durch den Verkauf der notwendigen Technik an Hersteller und Zulieferer sowie den Betrieb der Infrastruktur. Und vor allem durch mobile Onlinedienste. "Autofahrer sind laut Studien bereit, im Monat rund zehn Euro für sicherheitsrelevante Dienste und andere Serviceleistungen zu bezahlen. Wenn nur zehn Prozent diese Dienste annehmen, entsteht bei 350 Millionen Fahrzeugen in Europa ein Milliarden-Markt“, so Horst Leonberger, der bei der Deutschen Telekom als Chef der Einheit "Vernetztes Fahrzeug“ dieses Geschäft massiv vorantreiben soll. Dabei nimmt die Industrie nicht nur die Zielgruppe der unter 35-Jährigen ins Visier, die mit dem Internet aufgewachsen sind und die auch im Auto uneingeschränkten Zugriff auf das Web haben wollen. "Wir sind überzeugt, dass für die Mehrheit der Verbraucher in den etablierten Automobilmärkten die Vernetzung ihrer Fahrzeuge ein wichtiges Kriterium für die Kaufentscheidung sein wird“, so Thilo Koslowski, Autoexperte vom Analyseinstitut Gartner.

Was wie die Lizenz zum Gelddrucken klingt, erweist sich bei näherer Betrachtung eher als ein unsicherer Wechsel auf die Zukunft. "Heute gibt es keine Killer-Applikation, die einen kommerziellen Erfolg von Onlinediensten im Auto gewährleistet“, gibt Günter Zettler vom finnischen Entwicklungsdienstleister Tieto zu bedenken. Diese Ansicht teilen viele Experten. Gesucht werden mobile Dienstleistungen, für die der Kunde bereit ist zu zahlen, weil sie ihm echten Mehrwert bringen. "Erfolgreich vermarkten könnte man Verkehrsdaten in Echtzeit mit aktuellen Staumeldungen oder der Warnung vor Unfallgefahren“, sagt Christian Müller von IHS Automotive. Doch solche Echtzeitdaten gibt es derzeit noch nicht.

Wie schwer es ist, mit Telematikdiensten Geld zu verdienen, zeigt das Beispiel OnStar. Die Telematik-Tochter von General Motors bietet schon seit Jahren die On-Board-Diagnose an. Dabei erhält der Fahrer zum Beispiel eine Pannenhilfe nebst Ferndiagnose. Obwohl viele Experten solche Dienste für vermarktbar halten, operiert OnStar knapp an der Gewinnschwelle: bei 5,7 Millionen Nutzern und einer Jahresgebühr zwischen 199 und 299 Dollar. "Es gibt wahrscheinlich keinen Hersteller, der mit seinen Telematikservices Geld verdient. Dazu sind die Teilnehmerzahlen zu gering“, ist Oliver Bahns, Automotive-Chef von HP, überzeugt. Wesentlicher Grund: Die Hersteller setzen traditionell auf eigene Lösungen und lassen sich die Navigations-und Infotainmentsysteme als Sonderausstattung teuer bezahlen.

Die Verluste mit den Diensten konnten sie bislang verschmerzen. Diese Geschäftspolitik lässt sich kaum durchhalten – auch wenn sich die Hersteller verzweifelt daran klammern. Die Vernetzung des Fahrzeugs wird nicht von oben nach unten stattfinden. Weil andere Kundengruppen angesprochen werden, dürfte der Durchbruch eher von der Volumenseite erfolgen. Dazu kommt, dass die Systeme im Auto nicht mit dem Entwicklungstempo der Consumer-Elektronik mithalten können. Dies haben auch die Hersteller erkannt. Statt wie früher bei einem Zulieferer die gesamte Navi- und Infotainment-Lösung einzukaufen, entkoppeln sie Hard- und Software.

Das erlaubt die Integration von vielen Standards aus anderen Branchen, schnellere Updates und drückt auf den Preis. Am weitesten geht dabei BMW mit der Genivi-Allianz, die eine offene und standardisierte Infotainment-Plattform schaffen will. Keineswegs wollen die Autohersteller die Hoheit über ihre Plattformen hergeben. "Das Infotainmentsystem mit seinen Funktionen, den Diensten, dem Aussehen und der Art und Weise, wie es zu bedienen ist, wird den Markeneindruck maßgeblich prägen“, sagt Ralf Lamberti, der bei Mercedes die Infotainment-Entwicklung leitet. "Die Hersteller haben die Gesamtverantwortung für die Fahrzeugsicherheit. Schon deshalb können sie nicht jede Anwendung, die im Internet kursiert, ungeprüft auf ihre Infotainment-Plattform lassen“, so Müller. Kritisch sind vor allem Apps, die in das Fahrzeug und den Betrieb selbst eingreifen.

Damit dürften viele Geschäftsmodelle aus der Comsumer-Branche keine Chance haben. Prominente Beispiele: das kostenpflichtige Herunterladen von Huptönen analog zu den Handy-Klingeltönen, die inzwischen ein milliardenschweres Geschäft sind. Oder das Software-Tuning, bei dem ein paar PS im Internet dazugekauft werden. Auch der Erfolg von offenen Nachrüstlösungen, wie sie die Telekom 2011 bringen will, ist keineswegs garantiert.

Zwar könnten dann Versicherer gemeinsam mit Automobilclubs günstige Versicherungsprämien anbieten und Pannenfahrzeuge an der Markenwerkstatt vorbei in freie Ketten lotsen. Oder Unternehmen wie Google könnten ortsbezogenen Informationen, etwa Hinweise auf kinderfreundliche Restaurants, anbieten. "Solche Informationen kann ich aber heute schon über mein Smartphone per Bluetooth über das bordeigene Infotainmentsystem laufen lassen“, gibt Müller zu bedenken. Der Hype um das vernetzte Fahrzeug erinnert an die Internet-Blase vor zehn Jahren. Der Durchbruch des Web zur Massenanwendung veränderte die Welt, gleichzeitig zerplatzten viele hochfliegende Geschäftspläne. Eines gilt aber seit damals: Noch immer ist es schwierig, vom Internet-Nutzer Geld zu verlangen. Warum sollte das im Auto anders sein?