München. Derzeit basteln europäische Versicherungsgesellschaften an Konzepten für maßgeschneiderte Kfz-Policen. Vergleichbar mit der Wasser- oder Stromrechnung bezahlt der Nutzer bei „Pay As You Drive“ (PAYD) einen Versicherungsbeitrag, der sich nach seinem tatsächlichen „Verbrauch“ richtet. Profitieren sollen von einer solchen Regelung Autofahrer, die ihr Fahrzeug nur wenig benutzen und von der herkömmlichen Pauschalberechnung überproportional belastet werden. Doch nicht nur die gefahrenen Kilometer werden bei PAYD von den Versicherungen ins Kalkül gezogen. Von Interesse ist auch, ob der Autofahrer vorwiegend in der unfallträchtigen Rushhour unterwegs ist und ob er die „gefährlicheren“ Landstraßen statt der Autobahnen nutzt. Fahrer, die sich für dieses System entscheiden, erhalten eine Telematikbox, die ins Fahrzeug eingebaut wird. Sie enthält ein Modul, das während der Fahrt die empfangenen GPS-Signale aufzeichnet. Diese liefern Informationen über Position, Fahrtrichtung und Geschwindigkeit sowie Datum und Uhrzeit.
Die Telematikbox sendet die GPSDaten an das Rechenzentrum der Versicherung oder eines Systemproviders. Dort werden die Daten mit dem Straßennetz einer digitalen Karte abgeglichen, sodass sich die gefahrene Strecke rekonstruieren lässt. Daraus wird der Versicherungspreis berechnet. Als erster Kfz-Versicherer hat 2005 der britische Marktführer Norwich Union PAYD eingeführt. In Dänemark testeten Fahranfänger drei Jahre lang ein System, das nicht nur Fahrten aufzeichnete, sondern auch einen Tempowarner enthielt. Bei Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit alarmierte es den Fahrer per Warnton. Das Unfallrisiko der 300 Testfahrer sank um 25 Prozent. In anderen Ländern Europas werden ähnliche Modelle erprobt. Durch die für PAYD notwendige Telematikausstattung der Fahrzeuge können die Versicherungen ihren Kunden zudem weitere Dienste anbieten. Dazu gehören ein automatischer Notruf nach einem Unfall, Diebstahlsicherung oder ein Car-Finder zur Lokalisierung eines gestohlenen Fahrzeugs.
In den USA sind solche Telematikdienste bereits ein großer Markt. Umstritten ist PAYD jedoch in puncto Datenschutz. Ein satellitenbasiertes Trackingsystem weckt Ängste vor totaler Überwachung. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, sieht die Gefahr, „dass Begehrlichkeiten geweckt und die gesammelten Daten auch für andere Zwecke verwendet werden könnten“. Etwa zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. Bei einem Test der WGV-Versicherung wurde diese Problematik durch Trennung von Datenerfassung und -auswertung einerseits und Rechnungsstellung andererseits gelöst. Die anonyme Erfassung und Auswertung der Daten erfolgte durch den Systemprovider T-Systems.
Die Versicherung erhielt die Daten nur in ausgewerteter Form, also Angaben zu abstrakten Zeitklassen und zu den gefahrenen Kilometern pro Straßentyp, aber weder konkrete Datumsangaben und Uhrzeiten noch die genaue Route. Die exakten Fahrten erhält nur der Kunde, um die Rechnung prüfen zu können. Finanzdienstleistungsexperten sind trotz der Zurückhaltung vieler Versicherer zuversichtlich, dass die Vorbehalte sukzessive ausgeräumt werden und PAYD kommt: „Wenn auch eher in fünf als in drei Jahren.“