Gewöhnung an das süße Gift

Von Januar bis Oktober 2021 mussten 22 Unternehmen aus dem Automotivebereich mit einem Umsatz größer zehn Millionen Euro bei den Amtsgerichten einen Insolvenzantrag stellen. Ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Vorjahreszeitraum als noch 45 Firmen eine Insolvenz angemeldet hatten. Am Ende des Jahres 2020 waren es insgesamt 56 Unternehmen, heißt es im Finance Insolvenz-Report der Restrukturierungsberatung Falkensteg.

Die Autobranche ist nach Angaben der Berater gut über den Sommer gekommen. Bis Ende August hatten lediglich zehn Unternehmen einen Antrag stellen müssen, dann jedoch kam die Trendwende. Zwölf der insgesamt 22 Insolvenzen entfielen auf die Monate September (4) und Oktober (8). Hier stechen laut Falkensteg die vier Automobilzulieferer Bolta-Werke, Henniges Automotive, Heinze Gruppe und Emil Bucher heraus. Mit einem Umsatz von jeweils mehr als 100 Millionen. Euro gehören sie zu den größten Insolvenzen im laufenden Jahr.

Die Liste der Zulieferer in diesem Umsatzsegment könnte bis Ende 2021 noch länger werden. Falkensteg verweist darauf, dass je nach Prognose in 2021 zwischen sieben und elf Millionen Fahrzeuge weniger gebaut werden sollen als Anfang des Jahres geplant – vorwiegend in Europa. Dazu belasten die steigenden Rohstoffpreise und Energiekosten. Das treffe nun die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die nur regional aufgestellt sind und die steigenden Kosten aufgrund der langfristigen Verträge nicht weiterreichen können. Eine Insolvenzwelle erwarten die Experten von Falkensteg allerdings nicht. Ein Grund besteht auch darin, dass Unterstützungsmaßnahmen wie Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen bis Ende März 2022 verlängert wurden.

Laut Till Peeters, Partner bei der Restrukturierungsberatung Falkensteg war die Krise "nicht so schlimm, wie wir sie in unseren schlimmsten Szenarien skizziert haben, aber es gibt auch viele kranke Unternehmen, die durch die Krise durchgeschleppt worden sind. Wir sehen dennoch nach wie vor viele Unternehmen, die hervorragend durch die Krise gekommen sind."

Ein Blick auf die Unternehmen, die in den vergangenen drei Monaten in die Insolvenz geraten sind habe gezeigt, "dass das Problemfälle waren". Es gebe aber noch weitere kranke Firmen, die dank Kurzarbeit oder Überbrückungshilfen überleben. "Von einigen der in Schieflage geratenen Unternehmen hören wir, dass sie noch wenige Monate durchhalten. Der frühere Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor wird das ein oder andere kranke Unternehmen noch treffen und in Schwierigkeiten bringen", erklärt Peeters.

Der Falkensteg-Partner warnt: "Die Probleme, die wir in der Branche sehen, werden sich nicht von selbst auflösen. Außer die Regierung will die Automobilindustrie dauerhaft finanziell stützen. Als Branche gewöhnt man sich allerdings schnell an das süße Gift. Wir sollten die Krise für eine strukturelle Reformierung der Branche nutzen."

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Insolvenzen 2021