Herr Brossette, der Agenturvertrieb ist gerade eines der zentralen Themen im Autohandel. Dabei ist immer wieder die Rede vom echten beziehungsweise unechten Agenturmodell. Wo genau liegen die Unterschiede?
Die Unterscheidung ergibt sich aus dem Kartellrecht. Dieses besagt: Vereinbarungen zwischen Unternehmen dürfen nicht wettbewerbsbeschränkend sein. Wenn zwei Unternehmen einen Vertrag schließen, dann dürfen sie darin keine Endverkaufspreise festlegen, Vertriebsgebiete oder Kundengruppen vergeben oder Vertriebskanäle zuweisen. Es gibt nur eine Ausnahme: beim Einsatz von Handelsvertretern. Wenn diese so genannten Agenten wie ein Hilfsorgan in das Absatzsystem des Herstellers integriert sind, dann sind sie im kartellrechtlichen Sinne keine Unternehmer mehr. Und dann dürfen auch Verträge mit Absprachen zu Preisen, Gebieten, Kundengruppen und Vertriebskanälen geschlossen werden.
Was bedeutet es, in das Absatzsystem des Herstellers integriert zu sein?
Dass der Händler keinerlei unternehmerische Risiken im Bereich des Fahrzeugvertriebs mehr hat. Nur wenn das gegeben ist, ist der Partner ein "echter" Agent. Konkret müssen drei Bedingungen erfüllt sein: Beim Agenten darf kein Risiko aus den von ihm vermittelten Verträgen verbleiben, er darf keine marktspezifischen Risiken tragen und er darf vom Hersteller nicht parallel auch als Händler eingesetzt werden. Das schreibt die EU-Kommission exakt so in ihrem Entwurf für die Leitlinien zur neuen GVO. Verbleibt ein Risiko beim Agenten, fällt der Vertrag wieder in den Anwendungsbereich des Kartellrechts und eine unechte Agentur liegt vor. Bedeutet in der Konsequenz: keine Preisbindung, keine Gebietsbeschränkung, kein Wiederverkäuferverbot, keine Kontrolle des Internetvertriebs durch den Hersteller. Wenn der Agent in der unechten Agentur beispielsweise von seiner Provision einen Teil als Rabatt an den Kunden abgibt, dann kann der Hersteller das nicht verhindern. Solche Einschränkungen der Handlungsfreiheit des Agenten wären dann verboten.
Wie äußert sich das in der Praxis, wenn der Händler keine unternehmerischen Risiken mehr trägt?
Gehen wir die drei Bedingungen einmal durch. Das erste sind die Risiken aus vermittelten Verträgen. Das umfasst beispielsweise Liefer- und Gewährleistungsrisiken, Transportrisiken oder Lagerrisiken. Hinzu kommen alle Kosten für die Lagerhaltung oder den Verlust eines Fahrzeugs durch Diebstahl, Hochwasser, Feuer etc. Der Agent darf noch nicht einmal verpflichtet sein, dagegen auf eigene Kosten eine Versicherung abzuschließen. Das alles muss ausschließlich der Hersteller tragen. Auch wenn ein Kunde nicht zahlt, ist das ein Risiko des Herstellers.