"Diese Sorge ist völlig unnötig"

Das B2B-Geschäft mit Händlern hat Auto1 groß gemacht. Jetzt expandiert die Onlineplattform mit der Marke Autohero ins Geschäft mit Endkunden. Robert Lasek, Vice President der Auto1-Gruppe, und Denis Belan, Remarketingleiter für den deutschen Markt, sprechen im Interview mit der Automobilwoche über das Verhältnis zum klassischen Handel und den Gebrauchtwagenmarkt in Zeiten der Lieferkrise.

Wegen der Lieferkrise bei Neuwagen sind die Gebrauchtwagenstellplätze vieler Händler derzeit wie leergefegt. Wie ist die Lage bei Auto1?

Robert Lasek: Wenn wir uns unsere Ergebnisse ansehen, können wir uns sehr glücklich schätzen. Denn uns gelingt es nach wie vor, für reichlich Bestand zu sorgen. Zum Überblick: Wir haben 2020 über Auto1.com 447.000 Fahrzeuge B2B gehandelt. Allein in den ersten drei Quartalen 2021 konnten wir bereits 402.000 Fahrzeuge handeln. Im vierten Quartal kamen nach vorläufigen Zahlen noch einmal rund 153.000 dazu. Im Vergleich zum Vorjahr sind wir um 24 Prozent gewachsen. Unser Ziel, 2021 600.000 Fahrzeuge zu verkaufen, davon 560.000 an gewerbliche Händler, haben wir damit fast erreicht – trotz Lieferkrise.

Wie wollen Sie diesen Wachstumskurs halten? Die Fahrzeugknappheit wird ja auf absehbare Zeit nicht besser…

Lasek: Das ist richtig, aber die Infrastruktur, die wir in den letzten Jahren europaweit gebaut haben, hilft uns, das auszugleichen. Wir haben europaweit über 400 Ankaufsstationen. Davon allein in Deutschland über 120. Hinzu kommt das Remarketinggeschäft, bei dem Händler ihre B2B-Ware über uns europaweit vermarkten. Durch diese Diversifizierung stellen wir sicher, dass kontinuierlich Gebrauchte auf die Plattform Auto1.com strömen, die unsere 60.000 Partnerhändler auf Knopfdruck zukaufen können. Das heißt: Es gibt zwar Händler, die ein Nachschubproblem haben und nicht genügend Gebrauchtwagen auf ihre Höfe bekommen. Dieses Problem haben sie aber nur, weil sie nicht die richtigen Zukaufsquellen haben. Viele andere B2B-Beschaffungskanäle haben aktuell 50, 60 oder sogar 70 Prozent weniger Inventar gelistet. Bei uns ist das Gegenteil der Fall. Im Zuge der Lieferengpässe hat sich bei uns eine enorme An- und Verkaufs-Dynamik entwickelt. Die Händler wissen, dass wir auch in der Krise ein großes Angebot haben. Deshalb kommen immer mehr Händler auf unsere Seite, um sich mit Ware einzudecken.

Denis Belan: Das wiederum macht uns für Einlieferer – darunter viele Händler – attraktiver. Denn diese wissen, dass wir aktuell neue Käuferschichten erschließen und sie deshalb gute Preise für ihre B2B-Fahrzeuge erzielen können. Das dadurch wachsende Angebot macht uns dann wieder attraktiver für Käufer. Die Zahl der aktiven Einlieferer hat sich im zweiten Quartal 2021 gegenüber dem Vorjahr um 140 Prozent gesteigert.

Von einer Krise merken Sie also nichts?

Anhand der Zahlen sehen Sie ja, dass wir nicht so hart getroffen wurden wie der klassische Markenhändler, der stark vom Neuwagengeschäft abhängig ist. Diese leiden gleich doppelt. Denn aufgrund der Lieferengpässe entgeht ihnen nicht nur der Umsatz beim Neuwagen. Es fehlen auch die Inzahlungnahmen, wenn der Kunde sein altes Auto abgibt.

Im Neuwagenbereich ist derzeit das Agenturmodell auf dem Vormarsch. Welche Folgen hat das für Sie?

Dadurch, dass wir auf dem Sekundärmarkt tätig sind, betrifft uns das logischerweise nicht direkt. Wir merken den Vormarsch des Agenturmodells aber insoweit, als dass die Nachfrage nach unseren Tools für das Gebrauchtwagengeschäft steigt. Denn das Agenturmodell schränkt ja in den meisten Fällen die Handlungsfreiheit des Händlers ein.

Belan: Die meisten dürfen künftig nur noch den freien Zukauf und Inzahlungnahmen selbst steuern. Wenn mir nur noch das bleibt und ich weiterhin selbstständig unternehmerisch handeln will, muss ich mich aber damit anfreunden, dass ich auch Marken handle, die ich bisher nicht gehandelt habe. Das ist aber gar nicht so leicht. Gehen Sie mal in ein Autohaus und erklären einem Verkäufer, der 15 Jahre lang nur Mercedes gehandelt hat, dass er jetzt auch mal einen Ford ankaufen soll. Wo soll der Verkäufer die nötige Fachkenntnis auf einmal herbekommen? Aus diesem Grund steigt die Nachfrage nach Tools wie unserer EVA-App und dem Auto1-Preisindikator, bei denen wir den Handel an unsere Pricing-Maschinerie andocken. Der Händler kann sich damit für seine eigenen Inzahlungnahmen den Preis zuspielen lassen, zu dem wir ein Auto ankaufen würden. Dadurch bekommt er einen marktgerechten Preis, mit dem er seinen Kunden gewinnen kann.

Auto1 ist mit Autohero mittlerweile auch im Endkundenbereich aktiv. Befürchten Sie, dass die Autohäuser Sie dadurch zunehmend als Konkurrenten wahrnehmen und deshalb als Geschäftspartner meiden?

Lasek: Ich würde das so nicht sehen. Denn als Händler können Sie gar nicht genug Zukaufsquellen haben. Das bestätigt die aktuelle Situation tagtäglich. Händler, die bei uns Ware zukaufen, haben immer noch volle Höfe. Und als guter Autohändler wollen Sie zuallererst das Thema Beschaffungsknappheit in den Griff bekommen.

Aber könnten Sie es nachvollziehen, wenn mancher Händler diesen Gedankengang hat?

Lasek: Teilweise, um ehrlich zu sein. Aber als Unternehmer überlege ich mir: Wo habe ich die größeren Chancen? Und das ist eindeutig mit uns. Zudem haben die Autohäuser auf lokaler Ebene Hebel, sich und ihr Geschäftsmodell zu diversifizieren und Kunden zu binden, die wir nicht haben.

Belan: Ein Autohaus sollte in Zukunft als lokaler Mobilitätsdienstleister auftreten und nicht nur als eine Ankaufs- Verkaufs- und Reparaturstation. Das ist ein veraltetes Modell. Die Senger Gruppe etwa expandiert mit ihrer Marke Senger Neo im Fahrradsegment. Die avp-Gruppe aus Bayern wiederum hat einen lokalen E-Mobility-Store eröffnet. Es gibt Autohäuser, die eröffnen sogar Restaurants. Ich glaube, man muss in Zukunft als Händler sehr experimentierfreudig sein und ganz andere Wege gehen als bisher. Für solche Autohäuser sind wir mit unserem Online-Businessmodell keine Konkurrenz.

Lasek: Unabhängig davon ist nicht jeder Endkunde automatisch ein potentieller Online-Kunde. Viele wollen gar nicht online kaufen. Der stationäre Händler hat deshalb auch künftig seine Daseinsberechtigung. Insofern ist diese Sorge völlig unnötig.

Nehmen wir an, Autohero wird ein großer Erfolg. Birgt das für Ihre B2B-Kunden nicht die Gefahr, dass die besten Fahrzeuge künftig nur noch in diesen Kanal wandern und der B2B-Bereich zur Resterampe verkommt?

Lasek: Das sehen wir ganz und gar nicht so. Man muss die Volumenverhältnisse in Relation sehen. Wir haben 2021 rund 560.000 Fahrzeuge im B2B-Bereich verkauft. Dem stehen nur rund 41.000 im B2C-Bereich gegenüber.

Aber in einigen Jahren könnte das ja bereits ganz anders aussehen. Ihr Konkurrent Cazoo will in zwei bis drei Jahren in Deutschland 100.000 Fahrzeuge pro Jahr an Endkunden verkaufen. Ihre Wachstumspläne sind ähnlich ambitioniert. Das wäre dann schon eine andere Größenordnung.

Lasek: Autohero wird wachsen. Das ist ganz klar. Aber genauso wird das B2B-Geschäft wachsen. Die Relation bleibt daher erhalten. Wir sind eine vernetzte Plattform mit diversen Marken im Portfolio. Die Ausgangslage bei uns ist daher eine andere als bei unserem Wettbewerber. Wir sehen uns auch in Zukunft als strategischer Partner des Handels.

Vielen Dank für das Gespräch!

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