Bei der Gründung von Alphartis nannten Sie als eines Ihrer Ziele, Management- und Dienstleistungsfunktionen zu zentralisieren. Welche Fortschritte haben Sie hierbei erzielt?
Wir haben alle administrativen Aufgaben von den Filialen in die Zentrale verlagert – vom Marketing über den Einkauf bis hin zu Disposition und IT. Dadurch entlasten wir die Filialen, und so haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort Zeit, sich um das Wichtigste zu kümmern: unsere Kunden. Für jeden Bereich haben wir somit Spezialisten mit einer sehr hohen Fachkompetenz. Außerdem haben wir dadurch sehr kurze Wege.
Ist es ein Unterschied, ob ein Autohausbesitzer mit einem Standort beim Hersteller anklopft oder wenn Sie das tun? Sind Sie mit den Herstellern auf Augenhöhe?
In jeder Größenordnung ist die Zusammenarbeit als Handelspartner mit dem Hersteller als eine Partnerschaft zu betrachten, in der es für beide Seiten passen muss. Wachstum gibt es nur gemeinsam. Wir haben mit 20.000 Neuwagen pro Jahr natürlich ein gewisses Volumen und Gewicht. Auf das Preis- und Margensystem hat das aber keinen Einfluss. Das ist für alle gleich. Wir als großes Handelsunternehmen mit mehreren Marken und 45 Standorten haben sicherlich gewisse Vorteile darin, die enorme Komplexität des Geschäfts zu bewältigen, gegenüber einem Händler, der nur einen Standort oder eine Marke hat. Dabei empfinde ich höchsten Respekt gegenüber diesen Händlerkollegen, die es schaffen, das hochkomplexe System des heutigen Automobilhandels zu managen.
Neben dem Autohandel hat Alphartis eine ganze Reihe von Tochtergesellschaften, unter anderem für Immobilien, Versicherungen, Finanzdienstleistungen, Autovermietung und sogar Fahrschule. Welche Strategie verfolgen Sie damit?
Beginnen wir mit der Fahrschule. Wir haben unsere Kundenströme analysiert und festgestellt, dass Neuwagenkunden im Premiumbereich einen höheren Altersdurchschnitt haben. Danach haben wir uns gefragt: Wie können wir jüngere Menschen über die Türschwelle in unsere Häuser bringen? Was wir hatten, waren a) viele Autos und b) Besprechungsräume, die abends leer sind. Also haben wir diese Kapazitäten genutzt und eine Fahrschule gegründet, über die junge Menschen mit uns in Kontakt kommen und in unseren Fahrzeugen ausgebildet werden. Zudem ist die Fahrschule ein gutes Marketing-Instrument, da die Fahrzeuge mit unseren Logos permanent in unserem Marktgebiet unterwegs sind. Das Bestreben, Autos an die Fahrschüler zu verkaufen, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Uns geht es um etwas anderes: Sicherlich weiß jeder noch, in welchem Fahrschulauto er das Fahren gelernt hat. Die über die Fahrschule gewachsene Beziehung kann dann schon dazu führen, sich beim Thema Mobilität für unsere Tochtergesellschaften zu entscheiden. Mittlerweile gehört auch die Aus- und Weiterbildung von Berufskraftfahrern zu diesem Geschäftsmodell, das dadurch deutlich bereichert wird.
Stecken hinter Gesellschaften wie ihg und fhg ähnliche Überlegungen?
In die ihg haben wir im Zuge der Neuordnung alle unsere Immobilien und Mietverträge ausgelagert. Damit haben wir eine saubere Struktur geschaffen. Ein Teil unseres Alphabets ist die Fuhrparkmanagementgesellschaft fhg. Mit ihr wollen wir unser Auto-Abo und das Vermietgeschäft ausbauen. Letzteres ist wegen der aktuellen Lieferkrise vor allem zur Neuwagenüberbrückung wichtig. Daneben vermieten wir viele Fahrzeuge zu Sonderkonditionen an Mitarbeiter sowie an Kunden in Frankreich. Das Vermietgeschäft ist außerdem sehr wichtig für die Zusammenarbeit mit Firmenkunden. Ein Beispiel: Einer unserer Großkunden stattet seine Mitarbeiter in den kommenden zwei bis drei Jahren mit Elektrofahrzeugen aus – in Summe 120 Stück. Für diesen Kunden war es ein maßgebliches Entscheidungskriterium, dass wir ihm mit der fhg eine Überbrückungslösung bieten können, wenn er doch einmal ein Fahrzeug mit Verbrenner-Motor braucht. Wir übernehmen mit der fhg auf Wunsch auch die komplette Fuhrparkverwaltung. Dies ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, uns zum umfassenden Mobilitätsdienstleister zu entwickeln.
Ist der klassische Handel – verkaufen und reparieren – ein Geschäftsmodell, das langfristig keine Zukunft hat?
Das würde ich nicht sagen. Das Automobil ist ein langlebiges Wirtschaftsgut, das man über viele Jahre hinweg begleitet, und darin sehen wir auch langfristig unsere Ertragsquelle. Dennoch wir müssen uns breiter aufstellen. Wir wollen weg vom reinen Autohandel und streben an, beim Thema Mobilität zum Vollsortimenter zu werden. Damit kommen wir zu unserer jüngsten Gesellschaft, der vhg. Hierbei handelt es sich um eine Versicherungsmakleragentur, über die wir für jeden Kunden das beste Angebot für eine KFZ-Versicherung bereithalten können – selbstverständlich mit einem eigenen Abwicklungsbüro, über das wir den Kunden für jeden Bedarf eine persönliche Betreuung sichern. Wir besorgen dann einen Ersatzwagen und wickeln den Schaden für den Kunden ab. Und natürlich bietet ein Maklerbüro noch einiges mehr an Potenzial als nur die Vermittlung von KFZ-Versicherungsdienstleistungen. Diese Tochtergesellschaft wird langfristig eine Bereicherung für unser Unternehmen sein.
Wie sieht Ihre Bilanz für 2021 aus?
Wir sind überaus zufrieden. Wir haben 2021 knapp eine Milliarde Euro Umsatz gemacht und ca. 40.000 Automobile verkauft – davon rund 20.000 neue und 20.000 gebrauchte. Unser ursprünglich gesetztes Ziel, mehr als eine Milliarde Euro Umsatz zu erzielen, haben wir nicht ganz erreicht. Dafür sind wir mit einem sehr guten Auftragsbestand in das Jahr 2022 gegangen.
Wie ist es aktuell um die Lieferzeiten bestellt?
Wir haben, wie bereits erwähnt, einen sehr guten Auftragsbestand. Bei den Lieferzeiten fahren wir aber leider auf Sicht. Welche ihrer Modelle und Ausführungen die Hersteller im April, Mai oder Juni produzieren können, hängt zentral davon mit ab, welche Bauteile kommen und welche nicht – was sich oft nicht sicher vorhersagen lässt.
Wie bewerten Sie den Trend zum Agenturmodell? Sie haben damit bei VW ja bereits Erfahrung gesammelt…
Wir brauchen im Grunde kein Agenturmodell. Das bestehende System funktioniert sehr gut. Andererseits haben wir auch kein Problem damit, wenn es flächendeckend kommt – sofern sich das Geschäft mit den Erträgen bestreiten lässt. Um eine Marke repräsentativ zu vertreten, braucht man dauerhaft gute, qualifizierte Mitarbeiter und Rahmenbedingungen, die zum Anspruch der Marke passen. Dazu gehören auch Gebäude, Werkstatteinrichtungen und vieles andere mehr. Dies alles muss man aber auch finanzieren. Wenn wir die Kundenansprüche nicht erfüllen, wandern diese zu anderen Marken ab. Erfolg gibt es nur, wenn sowohl Händler als auch Hersteller gewinnen. Das müssen sich beide Seiten eingestehen, und dementsprechend müssen die Margen bemessen werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
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