"Nacktmull im Darth-Vader-Kostüm"

Michael Knauer

Das Design des neuen BMW Siebener stößt in Deutschland bei vielen Autofans auf Hohn und Spott, teilweise auf massive Ablehnung. Doch nicht überall wird der Auftritt des neuen Flaggschiffes kritisiert. Der bekannte Designprofessor Lutz Fügener nimmt gegenüber der Automobilwoche Stellung und erklärt, worum es beim Siebener eigentlich geht.

Montag, 25. April 2022, 12.34 Uhr

Foto: BMW

Neuer BMW Siebener, hier der i7 xDrive60. Ästhetisch umstritten - wie schon so oft beim Siebener.

Es sind keine Schmeicheleien, die BMW derzeit über seine neue Siebener Limousine in Deutschland zu lesen bekommt. Die Reaktionen als "polarisierend" zu bezeichnen, wäre sicher stark beschönigend.

Allerdings werden die überwiegend negativen Bewertungen aus Deutschland im Vierzylinder nicht für allzu großen Unmut sorgen - das neue Flaggschiff ist primär für die Exportmärkte und inbesondere China gedacht. Und dort gilt eben immer noch: bigger is better.

Eine besonders uncharmante Qualifizierung hat sich der Autor Gregor Honsel einfallen lassen, Technologie-Redakteur beim Heise-Verlag. Er erkennt im Siebener einen "Nacktmull im Darth-Vader-Kostüm", was wohl die Quintessenz des Hässlichen sein dürfte. Und Autojournalist Thomas Geiger urteilt im "Spiegel", dass der große BMW so "filigran wie ein Backstein" sei.

Auch so mancher Leserbriefschreiber schüttelt den Kopf. Das neue Auto könnten nur "Zuhälter, Mafioso oder ein bayerischer Ministerpräsident fahren, ohne sich zu schämen", lautet eine der vielen ablehnenden Reaktionen.

Andere Betrachter sind der Ansicht, dass die Limousine aus Bayern auch gut als Schützenpanzer in der Ukraine durchgehen könnte, denn sie sehe auch ohne Bewaffnung schon böse genug aus, um den Feind in die Flucht zu schlagen.

"Ein Schuss Rolls Royce"

Doch nicht alle Autofans dreschen auf das Design des Siebeners ein. Die Redaktion des Testmagazins "Auto Motor & Sport" etwa sieht in dem Koloss zunächst einmal nur "einen Schuss Rolls Royce", nicht ohne zu bedauern, dass BMW sein Flaggschiff in Europa nur noch mit Sechszylindern ausstattet, in einigen Exportmärkten aber noch mit Achtzylinder.

Die spanische Autozeitschrift "Autopista" lobt die "kraftvolle und impostante Frontpartie" und die Redaktion der führenden US-Online-Autoseite "Topspeed" ist schlicht der Meinung: "Die Siebener-Baureihe von BMW ist nicht dazu gedacht, zu gefallen. Also haltet schon mal den Mund!"

Lutz Fügener: "Anspruch auf sportliche Autos aufgegeben"

Einen differenzierten Blick auf das neue Aushängschild der Bayern hat Lutz Fügener, einer der profiliertesten Designprofessoren in Deutschland. Nach langjähriger Tätigkeit an der Hochschule Pforzheim leitet er seit dem Wintersemester 2021/22 den neu geschaffenen Studiengang Design und Mobilität an der Hochschule im bayerischen Hof.

"Das ist zweifellos ein beeindruckendes Modell geworden, signifikant für die Marke", sagt Fügener im Gespräch mit der Automobilwoche. Dies sei zum einen sicher der schieren Größe geschuldet, aber auch den zahlreichen neuen Technologien, die in dem Fahrzeug versammelt seien.

Aber auch der Design-Professor fragt sich, ob BMW mit dem Riesenauto auf der richtigen Spur fährt: "Mit dem neuen Siebener hat BMW augenscheinlich den Anspruch aufgegeben, sportliche, fahrerorientierte Limousinen zu bauen. Das passt eben nicht mehr zum so wichtigen chinesischen Hauptmarkt."

Auch ihn erinnere der Siebener an eine britische Nobelkarrosse, so Fügener weiter: "Gestalterisch in Form und Qualität erscheint der neue Siebener wie ein 'getarnter' Rolls Royce - ohne retrospektive Elemente, aber im formalen Ansatz etwas konservativer als der EQS von Mercedes."

SUVs bestimmen den Gesamtlook

"Was wir beim Siebener sehr gut sehen können ist die zunehmende Rückkoppelung des SUV-Designs auf alle anderen Fahrzeuggattungen", so Fügener weiter. "Das wuchtige Erscheinungsbild der SUVs ist schon längst bei den Kompaktmodellen angekommen und wird nun auch im Bereich der Limousinen umgesetzt. Die SUVs sind mittlerweile in den Modellpaletten der Hersteller so wichtig geworden, dass sie die CI der meisten neuen Modelle einer Marke vorgeben."

Der neue Bolide von BMW, aber auch die jüngst vorgestellte SUV-Variante des Mercedes EQS seien klar Ausdruck der auf China ausgerichteten Luxus-Strategie beider Marken. "Die meisten chinesischen Kunden wünschten sich von den bekannten, westlichen Marken bisher ein großes, klassisch designtes und opulent ausgestattetes Fahrzeug."

Viele Modelle europäischer Hersteller, vor allem große Limousinen, würde es ohne die Nachfrage aus China längst nicht mehr in dieser Form geben, stellt Fügener fest. "Der chinesische Geschmack hat sozusagen die großen europäischen Limousinen am Leben gehalten."