Reifenhersteller rechnen mit steigenden Preisen

Russlands Angriff auf die Ukraine und die darauf folgenden westlichen Sanktionen gegen Russland stellen die europäische Reifenindustrie vor ernste Versorgungs- und Logistikprobleme. Der europäische Reifenherstellerverband ETRMA mit Sitz in Brüssel erwartet deshalb steigende Preise und rechnet mit länger andauernden Lieferengpässen.

"Die Märkte sind derzeit ziemlich knapp versorgt, und die Produktionskapazitäten stehen stark unter Stress", sagte die Generalsekretärin des Verbandes, Fazilet Cinaralp, der Automobilwoche. "Deshalb ist damit zu rechnen, dass die damit verbundenen Anpassungen über den Preis erfolgen sowie auch über die Versorgungslage und die Lieferzeiten."

Wegen der Versorgungsengpässe würden die Hersteller notgedrungen ihre Produktion in den Werken in der Europäischen Union zurückfahren und zum Teil ganz stoppen. Marktgrößen wie Continental haben wegen der Ungewissheiten ihre Prognose für das laufende Geschäftsjahr bereits nach unten korrigiert. Conti erwartet inzwischen allein in der Reifensparte Kostensteigerungen von 1,9 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr.

Der ETRMA-Geschäftsführerin zufolge sind die Reifenhersteller nicht nur von Rohstoffmangel betroffen. Die Branche leide auch wegen steigender Kosten für Energie und Transport. "Die europäische (Reifen-) Industrie ist am stärksten von dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine betroffen", sagte Cinaralp. Wann sich die Lage wieder entspannt, wagt sie nicht vorauszusagen. "Wir hatten zunächst alle gehofft, dass eine schnelle und friedliche Lösung gefunden werden kann, aber inzwischen befinden wir uns im dritten Monat seit Kriegsbeginn."

Russland und die Ukraine waren bislang führend bei der Versorgung Europas mit synthetischem Kautschuk (Butyl-Kautschuk) und mit Ruß. Russland allein liefert laut ETRMA bis zu 40 Prozent des benötigten Rußes. "Diese Rohmaterialien sind von entscheidender Bedeutung für unsere Industrie, und es gibt auf kurze Sicht keine alternativen Versorgungsmöglichkeiten", sagte Cinaralp. Zwangsläufige Folge: Die knapper werdenden Rohstoffe werden teurer. So stieg der Preis von Industrie-Ruß allein im April um 20 Prozent.

Wegen der Sanktionen hätten russische Zulieferer den Export in westliche Länder beenden müssen. Teilweise sei die Produktion ganz eingestellt worden. Vielfach seien Lieferketten vollständig abgebrochen, sagte Ciaralp. Zusätzlich werde die Branche von der Chipkrise in der Autoindustrie getroffen. "Das hat die Nachfrage der Autobauer (nach Erstausrüster-Bereifung) stark beeinflusst."

Aus dem Datencenter:

Preise von Reifen für Verbrenner und E-Autos im Vergleich