Zwischen Genie und Größenwahn

In Deutschland würdigen zahlreiche Denkmale Gottlieb Daimler, Carl Benz und Adam Opel. All diese Automobil-Pioniere sind schon lange tot. In der US-Stadt Tulsa steht jedoch eine Figur, die einem lebenden Pionier der Mobilität gewidmet ist. Bürgermeister G.T. Bynum will damit den Tesla-Chef, Weltraum-Eroberer und PayPal-Investor Elon Musk in die Einöde von Oklahoma locken, um dort eine weitere Automobilfabrik zu bauen. Der Geehrte feiert an diesem Montag, dem 28. Juni 2021, seinen 50. Geburtstag.

Über einen Standort in Oklahoma hat Musk allerdings noch nicht entschieden. Derzeit denkt er eher an ein erstes Werk in Russland, wie er vor wenigen Tagen bei einem Talk mit russischen Studenten erwähnte. Und da wäre ja noch die große Baustelle im brandenburgischen Grünheide.

Aus Sicht des Jubilars wäre eine Würdigung seines Wirkens gewiss nicht nur in Tulsa angemessen. Musk ist bekanntlich nicht sparsam mit Eigenlob. "Als ich am College war, wollte ich an Dingen beteiligt sein, die die Welt verändern. Jetzt bin ich es", stellte er einmal fest – und man kann heute sagen: Das trifft uneingeschränkt zu. Nur wenige Zeitgenossen haben auf Technologie, Mobilität und die Geldströme dieser Welt so viel Einfluss wie Musk.

Mehrfach gelang es ihm, mit nur einer knappen Twitter-Notiz den Kurs der Tesla-Aktie, aber auch den Wert der Kryprowährung Bitcoin in die Höhe schießen zu lassen – und ebenso wieder nach unten zu treiben. Da wundert es nicht, dass Musk sich selbst für einen "König" oder "Imperator" hält, der den Lauf der Erdenmenschen nachhaltig beeinflussen kann. Welche finale Rolle ihm vorschwebt, macht folgender Satz deutlich: "Angesichts der derzeitigen technologischen Wachstumsrate hat sich die Menschheit auf den Weg der Göttlichkeit begeben." Viel mehr geht wirklich nicht.

Viele halten Musk wegen solcher Sprüche, wegen seines extravaganten Lebensstils und seiner popstar-ähnlichen Auftritte mit der kanadischen Sängerin Grimes für mehr oder weniger größenwahnsinnig. Mit ihr hat er seit 2020 einen Sohn, dem das Paar den Namen "X AE A-12" gab, was erwartungsgemäß für Diskussionen sorgte.

Doch Musk ist klüger als die meisten seiner Kritiker. Was ihn antreibt, ist Pioniergeist. Und den findet er offenbar noch in den USA. "Die Vereinigten Staaten sind eine Nation von Forschern. Amerika ist die destillierte Form von menschlichem Forscherdrang." Dies habe seine eigene Haltung geprägt, sagt Musk. "Wenn etwas wichtig genug für Dich ist, dann solltest Du es versuchen – sogar, wenn der wahrscheinliche Ausgang ein Scheitern ist." Es ist kein Zufall, dass das Enfant terrible der Automobilbranche den besonders sportlichen Fahrmodus im Model S "Insane Mode" – Wahnsinns-Modus – getauft hat. Mit dieser Haltung kann man es – zumindest in den USA – zum Multi-Milliardär bringen.

Im Rückblick wirkt der Aufstieg von Musk fast unaufhaltsam, geradezu märchenhaft. Doch so war es keineswegs. Er stammt aus einem wohlhabenden, aber nicht schwerreichen Elternhaus. Seine Mutter Maye Musk ist Model und stammt aus Kanada, sein Vater Errol Musk ist ein südafrikanischer Pilot und Ingenieur. Elon hat noch zwei jüngere Geschwister. Als er neun Jahre alt wird, trennen sich seine Eltern. Danach lebt er mit seinem Vater in einem Vorort von Pretoria, doch diese Zeit ist nicht glücklich für ihn. Später wird er seinen Vater einmal als "schreckliches menschliches Wesen" bezeichnen. Die eher triste Kindheit verbringt Elon meist mit Lesen (vor allem Fantasy-Romane) und schon früh mit dem Computer. Mit zehn Jahren bekommt er einen Commodore VIC-20 und macht erste Programmier-Schritte. Mit 12 verkauft er sein erstes Programm namens "Blastar" an ein PC-Magazin - für die satte Summe von 500 US-Dollar. Diese Erfahrung weckt seinen Unternehmergeist. Das Spiel (Thema: ein Raumschiff muss gefährliche Alien-Frachter wegballern) ist noch heute im Web spielbar.

Mit 17 siedelt Musk aus Südafrika nach Kanada um, dessen Nationalität er dank seiner Mutter ebenfalls hat. Zudem entgeht er damit dem Wehrdienst in der südafrikanischen Armee.

Ab 1992 studiert Musk Volkswirtschaftslehre und Physik an der University of Pennsylvania, 1995 wechselt er nach Palo Alto in Kalifornien, wo er ein PhD-Programm in Physik beginnt – allerdings nur zwei Tage lang. Zusammen mit seinem Bruder gründet er kurz darauf mit 2000 Dollar Startkapital sein erstes Unternehmen "Zip2", das Nachrichten für die entstehende Dot-Com-Industrie anbietet. 1999 kauft der damalige Computerriese Compaq die Musk-Firma für 307 Millionen Dollar - und gibt ihm damit das Startkapital für seine wahre Bestimmung: die Verbesserung der Welt. Noch im gleichen Jahr gründete er das Online-Bezahlprogramm X.com. Nur ein Jahr später fusionierte X.Com mit dem Wettbewerber Confinity, der ein Produkt namens PayPal entwickelt hatte. Als dieses fusionierte Unternehmen erneut nur zwei Jahre später von eBay übernommen wurde, zahlt der Käufer dafür 1,5 Milliarden Dollar – und Musk gehört seitdem zum erlesenen Kreis der Dollar-Milliardäre. Die nächsten Schritte sind bekannt. 2002 gründete Musk das Weltraum-Unternehmen SpaceX, 2004 folgte Tesla, 2013 war der Startschuss für Hyperloop, 2016 kam die Tunnelbaufirma "The Boring Company" hinzu.

Das mühsame Verbessern in winzigen Schritten ist Musks Sache dabei nicht – er denkt in großen, in riesengroßen Schritten. So mancher tüchtige Ingenieur musste dies schon bitter erkennen, wenn er bei einer von Musks berüchtigten Wutreden mehr oder weniger öffentlich gefeuert wurde. Sicher ist: Ein Musk duldet keinen Marketingdirektor und auch keinen Pressechef an seiner Seite. Wahnsinn, sagen dazu die Skeptiker. Analysten versuchen zu errechnen, wie hoch der CEO-Faktor bei Tesla einzuschätzen ist. Unbezahlbar!

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