Aldi zieht beim Gratis-Laden den Stecker

Lange Zeit konnten Fahrer von E-Autos beim Discounter Aldi ihr E-Auto kostenlos Laden. Damit ist es nun vorbei. Wer seit Anfang Juni Strom tanken will, zahlt dafür 29 Cent pro Kilowattstunde an Normalladestationen und 39 Cent an Schnellladestationen. Dass das Laden kostenpflichtig ist, ist bei vielen Einzelhändlern bereits üblich, könnte aber für die noch verbleibenden Gratis-Anbieter eine willkommene Gelegenheit sein, nachzuziehen.

Dazu zählen vor allem Lidl und Kaufland, die zur Schwarz-Gruppe gehören. Um deren bis dato kostenlose Ladesäulen zu nutzen, müssen Kunden bereits seit März die App Lidl Plus auf dem Smartphone haben. In diese ist – mit Blick auf die mögliche Zukunft – passenderweise bereits ein Zahlungssystem integriert. Zudem ist das Laden auf eine Stunde limitiert. Gegenüber dem "Handelsblatt" dementierte die Schwarz-Gruppe dementsprechend nicht, Pläne zu Ladegebühren zu prüfen. Das Unternehmen treffe "zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage zu künftigen strategischen Entscheidungen", hieß es in dem Bericht.

Zu den Händlern, die bereits Geld für das Laden verlangen, zählen unter anderem Rewe und Ableger Penny, Bauhaus, Hagebau oder dm. Sie alle kooperieren dabei mit dem Energieversorger EnBW, der die Ladesäulen stellt und betreibt. Auch Konkurrent E-On ist hier aktiv und kooperiert etwa mit Edeka. Die Energieversorger sehen in den Ladesäulen im Einzelhandel eine gute Gelegenheit, ihren Ladekunden eine sinnvolle Beschäftigung während des Ladevorgangs zu geben und somit die Wartezeit zu überbrücken. "Laden muss komfortabler sein als Tanken und sich in den Alltag der Menschen einfügen", erklärte ein EnBW-Sprecher gegenüber der Automobilwoche die Strategie des Konzerns.

Die Einzelhändler wiederum wollen über ihre Ladeinfrastruktur bewusst Kunden anlocken, indem sie diesen einen Mehrwert bieten. "Heute stehen kostengünstige oder -freie Lademöglichkeiten noch im Mittelpunkt des Konzepts. Mittel- und langfristig werden Einzelhandelsunternehmen aber ohnehin nicht umhinkommen, Ladestationen vorzuhalten, um Kunden eine gewisse Convenience während des Aufenthalts zu bieten. Dabei wird es dann nicht mehr um kostengünstige oder -freie Angebote gehen, sondern um die grundsätzliche Möglichkeit, das einzelne Fahrzeug während des Einkaufs aufzuladen", sagte Prof. Stefan Reindl, Chef des IfA-Instituts für Automobilwirtschaft bereits im Februar gegenüber der Automobilwoche. Dieser Schwenk von kostenlos zu kostenpflichtig findet nun offenbar zusehends statt.

Durch den Wandel vom Gratis- zum Bezahlangebot schaffen sich die Einzelhändler zudem auf lange Sicht eine potentielle Ertragsquelle, meinte Reindl: "Mittel- und langfristig könnte die Vorhaltung von Ladestationen tatsächlich betriebswirtschaftlich tragfähig oder attraktiv werden.“ Eine weitere Rolle dürften aber auch die derzeit rasant steigenden Energiepreise spielen. Dadurch könnte das kostenlose Laden Einzelhändlern wie Aldi schlicht zu teuer geworden sein.

Das Kfz-Gewerbe spielt in diesem Kontext übrigens nur eine untergeordnete Rolle: "Einige Hersteller sehen es nicht gerne, wenn Autohäuser ihre Ladeinfrastruktur öffentlich zugänglich machen", sagte Marcus Weller, Experte beim Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe. Denn das führe zu Fremdmarken vor den Betrieben. Abgesehen davon lohnt es sich für Händler nur selten, mehr Ladesäulen vorzuhalten, als sie für eigene Betriebsabläufe brauchen. Das hat mit der Lage der großen Mehrheit der Autohäuser zu tun. Weller: "Wenige fahren extra in ein Gewerbegebiet, um dort zu laden. Daher würden sich dort niemals die hohen Investitionskosten für eine öffentliche Ladeinfrastruktur amortisieren."

Aus dem Datencenter:

Aufbau von Schnellladestationen in Deutschland 2022