Geely ist eine Macht. Der chinesische Autokonzern ist größter Einzelaktionär von Daimler und hat bereits 13 Marken unter sich, darunter die Premium-Perle Volvo. Das Ziel: größter Autokonzern der Welt zu werden. Doch wo steht Geely wirklich?
Chinesischer Autobauer:
Scheinriese Geely
Auf dem Heimatmarkt ist das Wachstum fürs Erste vorbei. Obwohl sich der Markt nach der Corona-Krise in China erstaunlich schnell erholt hat und vor allem die deutschen Premiumhersteller BMW, Mercedes und Audi neue Rekordverkäufe verbuchen konnten, musste Geely in China Marktanteile hergeben. Der Gewinn brach um rund ein Drittel ein, der Absatz ging laut Herstellerverband CAAM um gut drei Prozent auf 1,3 Millionen Einheiten zurück. Zwar ist Geely damit hinter dem VW-Partner SAIC die Nummer zwei und hat mit Volvo sowie Lynk & Co auch gut laufende Marken. "Doch die Bäume wachsen hier nicht in den Himmel." Das sagt Jochen Siebert von der auf China spezialisierten Unternehmensberatung JSC. Geely hat seit Jahren mit einer mangelnden Kapazitätsauslastung der mehr als 20 Werke zu kämpfen. Diese liege bei nur bei 45 Prozent. Hinzu komme eine extrem fragmentierte Struktur. Siebert: "Selbst die beiden Volvo-Werke liegen 3000 Kilometer auseinander, dazwischen die Motorenfertigung. Das führt zu einem hohen logistischen Aufwand."
Rund eine halbe Million Autos verkauft Geely im Billigsegment mit Modellen auf alten Plattformen, die kaum mehr konkurrenzfähig sind. Dieses Segment gerät in China zunehmend unter Druck, da immer mehr Gebrauchtwagen höher positionierter Marken angeboten werden. Außerdem lasse sich damit kaum Geld verdienen. "Eigentlich müssten sie dieses Geschäft abgeben, aber dann würde das Problem der mangelnden Auslastung der Werke noch größer", sagt Siebert.
Drei Milliarden Euro wollte Geely-Gründer Li Shufu über ein Listing an der Schanghaier Tech-Börse Star Market erlösen. Das Geld benötigt das Unternehmen dringend, um neue Technologien zu entwickeln. Doch die Behörden lehnten ab, da Geely nicht als besonders innovativ wahrgenommen wird. Der Automobilanalyst Arndt Ellinghorst sieht hier generell Defizite chinesischer Hersteller. Weder beim Preis noch bei der Technologie ergebe sich ein Alleinstellungsmerkmal. "Die Preise sind zwar günstiger, aber nicht mehr Lichtjahre von den Preisen der etablierten Europäer entfernt. Und bei der Technologie kommen die relevanten Innovationen derzeit immer noch aus Europa und nicht umgekehrt." Die Skepsis spiegelt sich im Geely-Aktienkurs wider, der kaum vom Fleck kommt. An der Frankfurter Börse liegt der Wert mit 2,20 Euro auf dem Niveau von Herbst 2017 und deutlich unter dem Allzeithoch von 3,50 Euro Anfang 2021.
China gilt immer noch als Leitmarkt der Elektromobilität. Doch Geely kann hiervon kaum profitieren. Mit Geometry hat Geely zwar eine eigene Elektromarke an den Start gebracht, die sich mit Volvo und Lynk & Co die CMA-Plattform teilt. Doch dieser Baukasten ist auch noch für Verbrennungsmotoren ausgelegt und kann nicht mit Tesla, Nio, Xpeng oder auch einem ID.4 von VW konkurrieren. "Momentan spielt die Musik bei den Elektroautos im höheren Segment. Da aber ist Geely bisher nicht hingekommen", sagt Siebert. Richten soll es nun die Marke Zeekr, die auf der neuen Plattform SEA basiert. Um die Auslastung zu verbessern, will Geely SEA zudem auch anderen Herstellern anbieten. So basiert etwa die nächste Generation der Mercedes-Tochter Smart darauf. Angesichts dieser Probleme spricht Siebert von Geely als einem "Scheinriesen", dem eine langfristige Strategie fehle.
Die Geely-Holding
1986 begann Firmengründer Li Shufu mit der Zhejiang Geely Holding Group mit der Herstellung von Komponenten für Kühlschr.nke. 1997 startete er ins Automobilgeschäft. Seither hat Li Shufu ein Konglomerat von aktuell 13 Fahrzeugmarken aufgebaut. Den Kern der Holding bildet die Geely Auto Group, zu der die Marken Geely Auto, Geometry, Lynk & Co, Proton Cars (49,9 Prozent) und in einem Joint Venture mit Daimler auch Smart gehören. Lynk & Co wird dabei als Premiummarke positioniert. In Göteborg und Amsterdam starteten 2020 die beiden ersten europäischen Showrooms. Eigenständigkeit genießt die britische Sportwagen-Ikone Lotus, sie ist keinem Bereich eingegliedert.
Der wichtigste Teil der Holding ist aber die Volvo Car Group, die aus Volvo Cars und der Elektromarke Polestar besteht. Im Februar sagten Geely und Volvo Cars überraschend eine geplante Fusion ab. Ein weiterer Holding-Baustein ist die Geely New Energy Commercial Vehicle Group, zu der der britische Elektroautoanbieter LEVC (ehemals London Taxi) und Farizon Auto gehören, ein chinesischer Anbieter von elektrischen Bussen und leichten Nutzfahrzeugen. Randaktivitäten sind in der Geely Technology Group vereint. Dazu gehören der Ride-Hailing-Service Caocao, der Lufttaxi-Entwickler Terrafugia, der Navigationssatelliten- Bauer und -Betreiber Geespace sowie das Joint Venture CRTG für Highspeed-Internet in Zügen. 2020 kamen die Fahrzeugmarken laut Unternehmen auf gut 2,1 Millionen Verkäufe. Die Kerneinheit Geely Auto verzeichnete 1,32 Millionen. Der Rest entfiel zum Großteil auf Volvo Cars. Die knapp zehnprozentige Beteiligung von Geely an Daimler löst immer wieder Spekulationen über die Pläne der Chinesen mit dem Stuttgarter Konzern aus. (mik)
Allein für die Elektroautos gebe es inzwischen drei unterschiedliche Plattformen. "Das hat zu einer Komplexität des Engineerings geführt, die kaum mehr beherrschbar ist", sagt Siebert. Mit dem für die London-Taxis bekannten Firma LEVC oder Lotus hat Geely zudem Exoten im Programm, die hohe Investitionen in die Profitabilität erfordern.
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