ZF und Aeva wollen Lidar-Sensor für Massenmarkt produzieren

Das US-Start-up Aeva aus dem Silicon Valley und der Zulieferer ZF Friedrichshafen sind eine Partnerschaft eingegangen, um FMCW-Lidar-Sensoren (Frequency Modulated Continuous Wave, FMCW) für den Massenmarkt zu industrialisieren. Die FMCW-LiDAR-on-Chip-Technologie von Aeva soll die erste in der Automobilindustrie sein, die Leistungs- und Geschwindigkeitsmessungen über große Entfernungen ermöglicht.

Mit der siliziumbasierten Entwicklung sollen autonome Fahrfunktionen nach Level 4 (vollautomatisiertes Fahren als Vorstufe zum autonomen Fahren Level 5) ermöglicht werden.Lidar-Sensoren, die mit Laserstrahlen arbeiten, gehören neben Radar und Kamera zu den drei wichtigen Erkennungssystemen für autonome Fahrzeuge.

"Wir registrieren ein großes Interesse auf dem Markt für diese Technologie. Alle Partner mit denen wir sprechen und die an Robo-Taxis oder automatisierten Lastwagen nach Level 4 arbeiten, haben diese Technologie ganz oben auf ihrer Prioritätenliste", so Torsten Gollewski, Leiter Mobility Solutions bei ZF Friedrichshafen.

Der Manager verweist darauf, dass Lidar-Systeme für automobile Anwendungen häufig im 900-Nanometer-Bereich arbeiten. Aeva hingegen verwendet einen 1,5 Mikrometer-FCMW-Lidar. Die heutigen Lidar-Systeme arbeiten vielfach mit Wellenlängen zwischen 850 und 905 Nanometer, die sehr dicht an das sichtbare Lichtspektrum angrenzen. Auf der einen Seite ist den Entwicklern der Schutz der Augen vor Strahlenschädigung wichtig, auf der anderen Seite schränkt dies sowohl die maximale Laserleistung wie auch die Reichweite der Systeme ein, heißt es bei Branchenxperten. Eine Wellenlänge im Bereich von 1,5 Mikrometer sorgt für eine deutlich höhere Augensicherheit und führt zu weniger Interferenzen durch die Sonneneinstrahlung.

ZF ist schon seit längerem im Bereich Lidar unterwegs. Das Unternehmen vom Bodensee hält eine 40-prozentige Beteiligung an Ibeo. Der Hamburger Lidar-Hersteller hat kürzlich einen der größten Lidar-Serienaufträge erhalten. Der chinesische Fahrzeughersteller Great Wall Motor hat Ibeo mit der Fertigung von Lidar-Sensoren beauftragt, die automatisiertes Fahren auf Level 3 ermöglichen soll.

Die Aeva-1,5 Mikrometer-Technologie bringt vor allem Vorteile, wenn es um große Entfernungen und direkte Geschwindigkeitsmessungen geht. So lassen sich Objekte in komplexen Verkehrssituationen differenzierter klassifizieren. "Das ist beispielsweise im Bereich der Robo-Taxis absolut notwendig, wenn anspruchsvolle Verkehrsszenarien bewältigt werden müssen", erklärt Golewski im Gespräch mit der Automobilwoche.

Aeva bringt bei der Partnerschaft sein Know-how auf dem Gebiet der FMCW-Lidar-Technologie ein. ZF Friedrichshafen steuert seine Expertise in Punkto Validierung, Produktion und Industrialisierung von Sensoren nach Automotive-Kriterien bei. Aeva-Mitgründer Soroush Salehian spricht in diesem Zusammenhang von einer "sehr komplementären Partnerschaft".

"Die Industrie steht an der Schwelle zum Einsatz der nächsten Generation von Sensorik, um die Einführung hochautomatisierter und autonomer Fahrzeuge zu realisieren, und wir glauben, dass das 4D-Lidar von Aeva ein unverzichtbarer Bestandteil dieses nächsten Kapitels sein wird", so Salehian. Bei den Kundenlösungen werden Lkw- und Pkw-Hersteller sowie Kunden aus dem Bereich Mobility-as-a-Service in die Entwicklung mit einbezogen.

ZF sieht in Lidar ganz klar eine Schlüsseltechnologie für Systeme und Sensorik im Bereich des hochautomatisierten und autonomen Fahrens. "Wir haben gesehen, dass unterschiedliche Märkte unterschiedliche Lösungen erfordern. Für Anwendungen im Bereich des autonomen Fahrens für Systeme der Level 2+ und Level 3 Systeme sind vor allem kostengünstige Systeme gefragt. Bei Anwendungen im Bereich von Level 4 und höher liegt der Schwerpunkt auf einer möglichst großen Reichweite und der direkten Geschwindigkeitsmessung", erklärt Gollewski.

Der FMCW-Technologieansatz von Aeva erfülle alle strengen Anforderungen für den autonomen Betrieb in Lastkraftwagen und Robo-Fahrzeugen. Gollewski ist sich sicher, dass ein Automotive-Grade ein notwendiges Qualitätssiegel für alle Anbieter von Software im Bereich des autonomen Fahrens ist.

Im Gegensatz zu anderen Lidar-Technologien verwendet das 4D-Lidar-on-Chip von Aeva einen kontinuierlichen Laserstrahl, um die Frequenzänderung der Wellenform zu messen, wenn diese von einem Objekt reflektiert wird. Dadurch ist es möglich, die Reichweite und die momentane Geschwindigkeit eines Objekts gleichzeitig über eine Entfernung von mehr als 300 Metern mit hoher Genauigkeit zu erfassen.

Das 4D-Liar von Aeva ist nach Unternehmensangaben außerdem völlig frei von Interferenzen durch andere Sensoren oder Sonnenlicht und arbeitet mit nur einem Bruchteil der optischen Leistung, wie sie sonst für eine hohe Reichweite erforderlich ist. All das seien Hürden gewesen, die bislang die breite Einführung von Lidar im Automobilbereich verlangsamt hätten.

Die Aeva-Technologie unterscheidet sich von anderen FMCW-Ansätzen auch dadurch, dass es keine Abhängigkeit zwischen maximaler Reichweite und Punktdichte gibt. Das Aeva-Lidar integriert mehrere Strahlen auf einem Chip. Jeder Strahl ist in der Lage, mehrere Millionen Punkte pro Sekunde bei hoher Reichweite zu messen.

Aeva wurde 2017 von Soroush Salehian und Mina Rezk – zuvor leitende Ingenieure bei Apple & Nikon – gegründet. Der Hauptsitz des Unternehmens ist in Mountain View, Kalifornien. Aeva wird unter anderem von der Porsche SE, Lux Capital und Canaan Partners von Volkswagen unterstützt.

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