Aiways, MG, Nio, BYD. Die Liste der chinesischen Hersteller, die den Sprung nach Europa wagen, wird immer länger. Mit Great Wall kommt nun ein weiteres Schwergewicht hinzu. Schon im vergangenen Herbst sorgte der Hersteller mit seinen Marken Wey und Ora auf der IAA in München für Aufsehen. Zwei stattliche SUVs und ein poppiges Elektroauto auf hohem technologischen Niveau, in ansprechender Verarbeitung und mit gutem Preis-/Leistungsverhältnis wurden präsentiert. Das dürfte auch viele Kunden hierzulande überzeugen. Mit Emil Frey hat Great Wall nun einen starken Handelspartner gefunden, der über jahrzehntelange Erfahrung mit asiatischen Marken und ein breites Netz an Autohäusern verfügt. Auch BYD will noch in diesem Jahr über eine große Handelsgruppe in Schweden den Einstieg schaffen, MG ist bereits da und meldet rasant steigende Verkaufszahlen.
Der Zeitpunkt für die große chinesische Angriffswelle hätte nicht besser gewählt sein können. Denn vor allem die deutsche Herstellen machen es den Newcomern aus Fernost einfach. Mercedes, Audi, BMW, ja selbst VW dünnen gerade ihr Angebot am unteren Ende des Portfolios deutlich aus. Weil die Lieferketten brüchig sind und die Nachfrage das Angebot weit übersteigt, hat der Verkauf von margenstarken Fahrzeuge Priorität. Und dazu gehören nun mal nicht Mercedes A-Klasse, VW Polo oder Audi A1, sondern S-Klasse, Touareg oder Q8. Das hat zum einen mit dem Halbleitermangel zu tun, vor allem aber mit dem neuen Fokus auf die Rendite. Die Luxus-Strategie, die bei Mercedes auch explizit so heißt, sorgt bei weniger Volumen für deutlich höhere Gewinne. Und weil die Rechnung aufgeht, dürfte eine Rückkehr zum volumengetriebenen Wachstum der vergangenen Jahre unwahrscheinlich sein.
So ensteht ein Vakuum, dass die chinesischen Hersteller in den kommenden Jahren nur allzu gerne füllen werden. Dazu zählt auch die Bestückung der Mietwagenflotten, die für die deutschen Autobauer inzwischen als unattraktiv gilt. Das Problem dabei ist, dass über das Volumensegment oder einen Mietwagen im Urlaub auch der Einstieg in eine Marke vollzogen wird. Wer schon eine A-Klasse gefahren ist, kauft sich später vielleicht eine E-Klasse. Wer als Student gute Erfahrungen mit einem Golf gemacht hat, der greift als Familienvater eher zum Passat. Dieses Feld nun den chinesischen Herstellern zu überlassen, könnte sich am Ende bitter rächen. Denn die Konkurrenz aus China hat längst mehr zu bieten als Autos für Schnäppchenjäger. Hochtechnologie und Luxusausstattung sind kein Alleinstellungsmerkmal der deutschen Marken mehr. Wer seine Kunden aber erstmal verloren hat, der bekommt sie nur schwer zurück. In ein paar Jahren wird sich zeigen, ob die Abkehr vom Einstiegssegment wirklich die richtige Entscheidung war.
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