Frau Finzel, wie angespannt ist aus Ihrer Sicht die Lage auf dem Fachkräftemarkt im Bereich der Caravaning-Branche? Hat sich die Lage nochmals gegenüber 2020/21 verschärft?
Die Lage ist nicht einfacher geworden. 70 bis 80 Prozent der Betriebe haben permanent unbesetzte Stellen. Allerdings ist die Situation sehr unterschiedlich. Im kaufmännischen Bereich gelingt es meist gut, Verkäufer, Vermietberater und andere zu finden. Im Service dagegen ist es deutlich schwieriger. Wir bekommen bei vielen Mitgliedsbetrieben mit, dass flächendeckend der ein oder andere Arbeitsplatz lange unbesetzt bleibt. Dies spitzt sich weiter zu, da viel After Sales-Volumen aus den gesteigerten Absatzmengen der Vorjahre resultiert.
Welche Qualifikationen sind vor allem gefragt?
Die Aufgaben in der Caravaning-Branche sind sehr komplex. Wir brauchen Allrounder, die auch mit Holz, Glasfaser-Kunststoff, Wasser und Gas arbeiten können. Der ideale Monteur muss alles können: etwas Mechatronik, Holz, den Gasprüfungsschein G607 besitzen, den S2 Hochvolt-Schein, 230 V beherrschen, Klebepraktiker sein, Multimedia beherrschen. Quasi alles, was ein Haus auf Rädern an Komponenten beinhaltet.
Gibt es dafür keine geeignete Ausbildung?
Noch nicht. Es gibt leider keine fertigen Caravantechniker und auch keine so hohe Standardisierung der Teile wie im Automobilhandel. Der DCHV kennt diese Problematik seit Jahren und hat schon seit längerem die Weiterbildung zum Caravantechniker mit einer siebenwöchigen Qualifikation im Programm, die sehr gefragt ist. Wir arbeiten aber zusätzlich an einem eigenen Ausbildungszweig, dem "Caravan- und Reisemobiltechniker". Unsere Partner sind hier der CIVD und der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik. Des Weiteren sind die IHK und Handwerkskammern involviert. Wenn alles nach Plan läuft, werden im Herbst 2023 die ersten Auszubildenden ihre Laufbahn starten. Dies wäre ein wesentlicher Meilenstein für unsere Branche. Der Zuspruch der Handelsbetriebe für diese Ausbildung wird gerade abgefragt und ist überwältigend. Pro Jahr werden derzeit rund 300 Auszubildende in dieser Fachrichtung benötigt.
Was raten Sie Ihren Verbandsmitgliedern, wie sie die notwendigen Fachkräfte möglicherweise doch noch gewinnen können?
Zunächst erkennen und verstehen, was man an Skills gebraucht: Sprich vorausschauend die Service- und Absatzstrategie regelmäßig überdenken und an den Markt anpassen. Wie verändern sich die Produkte, etwa hinsichtlich neuer Komponenten wie Kunststoffe, Elektronik und Fahrwerkstechniken. Die Handelsbetriebe sollten sich die Frage stellen, ob sie diese Fähigkeiten und Kenntnisse optimal abdecken. Falls nicht, solide schulen. Leider wird die Weiterbildung zum Teil zu wenig strategisch betrieben. Wenn man weiß, welche Skills benötigt werden, kann man in Art-verwandten Berufsfeldern gezielt suchen. Ich kenne einige gute Beispiele, wie zum Beispiel Küchenbauer mit einer Weiterbildung als Caravantechniker ideale Servicetechniker werden können oder auch aus Bereichen wie Messe- und Veranstaltungstechnik eine Weiterbildung und ein Quereinstieg gut gelingen kann. Schließlich wird die Technik immer komplexer. Die digitale Welt hält Einzug auch im Wohnmobil. Darauf muss man vorbereitet sein. Und auch bei der Suche sollten neue Wege versucht werden, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu erreichen wie Schnuppertage, Imagevideos, Events und die sozialen Medien beispielsweise. Und natürlich sollten sich die Betriebe hinterfragen, ob sie als Arbeitgeber auch attraktiv genug sind und was dafür gegebenenfalls noch getan werden kann.