Traumrendite im Fiat-Handel

Fiat hat im Pkw-Bereich gerade einen Lauf – sowohl bei den Erträgen als auch bei den Verkaufszahlen. "Wir steuern auf unser erfolgreichstes Jahr seit Langem zu", erklärte der deutsche Fiat-Markenchef Roberto Debortoli im Gespräch mit der Automobilwoche.

Zum Ende des ersten Halbjahrs stieg der Marktanteil der Italiener im Pkw-Bereich von 1,4 Prozent im Jahr 2021 auf nunmehr 1,9 Prozent. Grund dafür ist eine gegen den Branchentrend gute Fahrzeugversorgung. "Wir können 2022 signifikant mehr Fahrzeuge ausliefern als im Vorkrisenjahr 2019", so Debortoli. 2019 standen hierzulande 58.230 Pkw (ohne Ducato) zu Buche. 2021 sackten die Verkaufszahlen auf 41.404. Ende des ersten Halbjahres standen 22.676 Einheiten zu Buche (ohne Ducato).

Als Grund für die vergleichsweise gute Liefersituation nannte Debortoli erhöhte Produktionskontingente für den deutschen Markt sowie den elektrischen Fiat 500, dessen Produktionskapazitäten seit 2020 on top zu den bereits bestehenden Verbrennerkapazitäten dazukamen. "Wir steuern auf unser erfolgreichstes Jahr seit Langem zu", sagte Debortoli. Gleichwohl gebe es aber auch bei Fiat etliche Stornierungen, vor allem von Händlerbestellungen. "Wir kämpfen jeden Tag um mehr Produktion", versprach er.

Wichtigstes Zugpferd ist der Fiat 500, der sowohl elektrisch als auch als Verbrenner das Segment der Kleinwagen dominiert. "Wir streben die Hoheit im Kleinwagenbereich an", sagte Debortoli. Langfristig verspricht sich Fiat hier einen strategischen Marktvorteil: Aufgrund der hohen Entwicklungskosten bei gleichzeitig geringen Margen verabschieden sich seit einigen Jahren immer mehr Hersteller von ihren Kleinwagen. Die Nachfrage nach solchen Fahrzeugen bestehe aber weiter. In diese Lücke will Fiat stoßen. "Ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, Kleinwagen zu produzieren und abzusetzen", sagte Debortoli.

Wermutstropfen ist aktuell die Nutzfahrzeugsparte mit dem Ducato. Hier kämpft Fiat mit deutlich stärkeren Lieferproblemen, die den Fiat-Gesamtmarktanteil bis Ende Juni 2022 im Vergleich zu 2021 um 0,2 Punkte auf 3,0 Prozent schrumpfen ließen. Besserung sei aber in Sicht: "In der zweiten Jahreshälfte wird es besser laufen", so Debortoli.

Auch die Händler dürften zufrieden sein: Sie verkaufen nicht nur mehr Fahrzeuge, sondern verdienen auch deutlich mehr an ihnen. "Die Händlerrendite entwickelt sich aktuell sehr gut. Wir sehen hier eine deutliche Steigerung zum Vorjahr", sagte Debortoli. Nach Informationen der Automobilwoche liegt die Umsatzrendite im Handel derzeit bei mehr als drei Prozent. Im Branchenschnitt sind drei Prozent über die Maßen gut: Der ZDK beziffert die durchschnittliche Umsatzrendite im Handel für 2021 auf 1,6 Prozent. Hintergrund für die steigenden Erträge ist die Schubumkehr auf dem Automarkt von einem Angebots- zu einem Nachfragemarkt. Das erlaubt den Händlern den Verkauf ohne Rabatte.

Diese sind bei Fiat in der Vergangenheit traditionell üppig ausgefallen. In diese alte Welt wolle man auf keinen Fall zurück, verspricht Debortoli. Es werde keine massenhaften Eigenzulassungen und Rabattorgien mehr geben. Mit diesen wurde bislang überschüssige Ware in den Markt gedrückt und der Marktanteil künstlich aufgeblasen. Stellantis hat die Produktion seiner Werke nun aber von einem Push- zum Pull-Modell umgestellt. Bedeutet: Hergestellt wird nur noch das, was auch bestellt wurde. "Die Zukunftsaussichten bei Fiat sind besser als je zuvor", zeigte sich Debortoli überzeugt.

Dass durch Rabatt-Verzicht die Fahrzeuge für viele Kunden nicht mehr erschwinglich sein könnten befürchtet der Manager nicht. Mit dem Wegfall der Nachlässe seien die Restwerte bei Fiat um rund zehn Prozent gestiegen. Das erlaube im Gegenzug deutlich günstigere Leasing- und Finanzierungsraten und mache die Fahrzeuge für preissensible Kunden erschwinglich.

Dass Fiat im aktuellen "Markenmonitor"-Händlerzufriedenheitsranking des IfA-Instituts trotz der guten wirtschaftlichen Lage relativ schlecht abgeschnitten hat, macht den Manager einigermaßen ratlos. "Rein faktisch müssten die Händler angesichts der guten Rendite und der guten Zukunftsaussichten zufrieden sein", sagte er. Da in der Befragung vor allem die Liefersituation kritisiert wurde, sei es aber am wahrscheinlichsten, dass neben der allgemeinen Lieferproblematik auch die Umstellung auf ein Pull-Modell bei der Produktion etwas ungewohnt sei.

Ein anderer Grund könnte daneben sein, dass Fiat ähnlich wie alle Stellantis-Marken aktuell dabei ist, sein Händlernetz zu bereinigen. In der Branche kursiert markenübergreifend die Zahl von 10 bis 15 Prozent der Händler, die keinen neuen Vertrag bekommen, speziell bei Opel die Zahl von 50 Partnern. Rein zahlenmäßig verkleinern will Fiat sein Händlernetz dabei allerdings nicht. Die Lücke durch den Wegfall einiger Partner will Fiat durch Partner anderer Stellantis-Marken ausgleichen, die Fiat als Zweitmarke aufnehmen. "Wir verzeichnen eine hohe Nachfrage nach Fiat-Verträgen", erklärte Debortoli sichtlich zufrieden. Angesichts von mehr als drei Prozent Rendite ist das aber auch nicht verwunderlich.

Aus dem Datencenter:

Deutschland: Top 30 Modelle im Juli 2022