Herr Onggowinarso, wird es 2022 beim bisherigen Minus von gut zwölf Prozent bleiben oder wird der Rückgang noch größer?
Durch die stockenden Lieferketten fehlt es Herstellern und Zulieferern an Bauteilen, Material und Fahrzeugchassis. Dazu kommen die steigenden Energie- und Rohstoffpreise. Der Krieg in der Ukraine hat die aktuell ohnehin schon schwierigen Rahmenbedingungen nochmals verschärft. Deswegen ist es aktuell unmöglich, eine verlässliche Prognose abzugeben. Die Reisemobilsparte ist sehr abhängig von den Produzenten der Basisfahrzeuge. Liefern diese in den kommenden Monaten wie erhofft wieder mehr Chassis, werden auch die Zulassungszahlen wieder steigen.
Welche Segmente widerstehen dem Abwärtstrend besser, welche schlechter, und warum?
Bei den herkömmlichen Reisemobilen und den gängigen Kastenwagen-Modellen sind Basisfahrzeuge aktuell Mangelware. Bei den kompakten Campervans ist die Versorgungslage etwas entspannter. Deswegen konnte dieses Fahrzeugsegment in den vergangenen Monaten weiterhin ein gutes Wachstum verzeichnen.
Welche Komponenten neben kompletten Chassis fehlen sonst noch in der Lieferkette?
Die Probleme in der Lieferkette sind vielfältig und lassen sich nicht auf einzelne Komponenten oder Baugruppen reduzieren. Kaum hat man eine Versorgungslücke geschlossen, tun sich zwei neue auf. Aktuell herrschen Engpässe bei Fenstern, Aluleisten und bei allem, was Halbleiter benötigt. Davor waren es beispielsweise Klebstoffe und Formteile.
Wie reagieren die Reisemobil-Hersteller auf die Mangelsituation? Wird das Angebot priorisiert auf höherwertigere Modelle und Ausstattungen?
Nein, eine Priorisierung gibt es nicht. Kurz gesagt: Es wird auf den Chassis aufgebaut, die geliefert werden können. Um den Nachschub zu sichern, stellen sich Hersteller bei den angebotenen Basisfahrzeugen breiter auf und setzen auf Kooperationen mit neuen Marken. Das gilt sowohl für Einsteigermodelle als auch für höherklassige Fahrzeuge. Das ist aber nicht allein der Liefersituation geschuldet, sondern eine Entwicklung, die bereits vor der Pandemie eingesetzt hat. Die Kunden legen großen Wert auf Individualisierung. Da macht ein breiteres Angebot an Basisfahrzeugen natürlich Sinn.
Muss die Reisemobilbranche vor diesem Hintergrund nicht für 2023/2024 mit einem deutlichen Abwärtstrend rechnen?
Ganz und gar nicht. Der Trend zum individuellen, naturnahen Urlaub hat lange vor der Pandemie eingesetzt. Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Allensbach sind fast 14 Millionen Deutsche mit dem Reisemobil oder Caravan unterwegs, davon sind allein zwei Millionen während der Pandemie dazugestoßen. Der Caravaning-Trend hat also durch Corona einen Schub bekommen, stellt aber grundsätzlich eine langfristige Entwicklung im Reiseverhalten der Menschen dar. Ganz auf den Urlaub zu verzichten, ist für die Mehrheit der Bevölkerung keine Option. Denn die vergangenen zwei Jahre hat man bei der Reiseplanung viele Abstriche machen müssen. Die Menschen wollen nun das Verpasste nachholen und sind bereit, dafür Geld auszugeben. Aber auch hier sehen wir den Trend hin zum erdgebundenen Reisen mit kürzeren Urlaubsetappen, auf denen man sich lieber selbst versorgt anstatt teuer im Restaurant zu essen.
Welche aktuellen Trends bei Reisemobilen sehen Sie beim anstehenden Düsseldorfer Caravan Salon und in der neuen Reisesaison im kommenden Jahr?
Es gibt nicht den einen, alles bestimmenden Trend in der Branche. Vielmehr setzen sich die schon seit Längerem bestehenden Trends fort. Grundsätzlich gilt: Die Marken- und Modellvielfalt steigt, und es werden immer mehr Ausstattungs- und Gestaltungsoptionen angeboten. Hervorzuheben ist auch eine immer größere Auswahl an Basisfahrzeugen bei fast allen Herstellern. Damit kommen viele neue Modelle und Grundrisse auf den Markt. Dann werden die kompakten Fahrzeuge immer beliebter. Sie bieten zudem mehr Komfort auf relativ wenig Platz. Generell stellen wir fest, dass die Ansprüche der Kunden an die Ausstattung weiter steigen. Dazu gehören beispielsweise bequeme Betten, eine Klimaanlage, Fußbodenheizung und umfangreiche Küchen. Smarte Lösungen im Innenraum für mehr Stauraum sind sehr gefragt, und auch die Bäder werden immer komfortabler.
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