Wie sehen Sie den zeitlichen Ablauf?
Der Verbrennungsmotor ist ganz klar noch immer das Rückgrat des Transportsektors. Nicht alle Bereiche lassen sich rein elektrisch darstellen. Nehmen Sie als Beispiel einen Kipper für den Transport von Kies oder Abraum. Das lässt sich mit einer Batterie schwer machen, nicht nur weil die Funktionen sehr viel Energie im anspruchsvollem Gelände benötigen, sondern weil sich diese um ein Vielfaches teurere Technik beim Transport von Abraum und den damit verbundenen Kilometerleistungen nicht rentieren wird. Hier werden Kraftstoffe wie Biomethan eine wichtige Rolle spielen, denn die sind heute schon günstiger als etwa LNG. Aber auch die Brennstoffzelle wird sich ihren Platz im Segment der Langstrecken-LKW sowie den Einsätzen mit Laufleistungen von über 150.000 Kilometern pro Jahr und mehr erobern..
Wann kommt denn ihr elektrischer Lkw auf die Straße?
In den USA läuft die Produktion von Nikola bereits, da werden kontinuierlich Fahrzeuge an die Händler ausgeliefert. Hier in Europa sind wir mit den ersten drei Exemplaren für den Hamburger Hafen im September gestartet. Die kommen aus unserem Joint Venture in Ulm, allerdings auch mit dem amerikanischen verlängerten Radstand. Von Ulm aus wollen wir die ersten Exemplare mit dem europäischen Baumuster Mitte nächsten Jahres als batterieelektrische und Anfang 2024 als brennstoffzellen-elektrische Version an die Kunden ausliefern.
Wer sind die Kunden für die batterieelektrischen Fahrzeuge?
Das Interesse kommt aus unterschiedlichen Richtungen. Das reicht von Baufirmen mit Zugang zu günstiger Energie bis zum klassischen Supermarkt. Wir haben ja mit 720 Kilowattstunden und 500 Kilometer Reichweite das mit Abstand größte Paket an Bord. Außerdem bieten wir Ladelösungen an, weil die Infrastruktur hier noch lange nicht ausreicht. Damit sind wir im regionalen Verteilerbetrieb gut aufgestellt. Wichtig ist heute eine intensive Beratung des Kunden mit dem spezifischen Anwendungsfall. Da haben wir auch aus früheren Fehlern gelernt, als wir die ersten LNG-Laster in 2017 untermotorisiert in die spanischen Berge geschickt haben. Der Kunde weiß was er will, allerdings nicht immer wie man diese neue Technologie im Wettbewerb zum Diesel einsetzt. Da müssen alle etwas umdenken
Also muss jeder genau wissen, wofür er das Fahrzeug braucht?
Ja, das Einsatzprofil muss genau definiert werden, damit es passt. Da wird heute auch viel Daniel-Düsentrieb gemacht und manche Bastelbuden auch hier in Deutschland segeln auf der Welle der Subventionen koste es was es wolle. Aber teure Umrüstungen von bestehenden Verbrennermodellen haben beim LKW auf Dauer keine Chance. Der Kunde sitzt am Ende auf seinem teuren Statussymbol aus Handarbeit, das für den gewünschten Einsatz aber gar nicht taugt geschweige denn für eine Serienproduktion entwickelt wurde. Davon hat niemand etwas.
Und wann startet der Brennstoffzellen-Lkw?
Anfang 2024 kommt die Brennstoffzellen-Variante von Nikola zu den Kunden. Welcher Antrieb sich letztlich durchsetzt, werden wir sehen. Das hängt neben der Ladeinfrastruktur auch von den Energiepreisen ab. In Frankreich etwa gibt es Überlegungen, Wasserstoff aus Atomstrom zu produzieren. Dann wäre dieser plötzlich sehr günstig und Brennstoffzellenfahrzeuge dort sehr konkurrenzfähig. Weil das alles aber noch sehr unsicher ist, treiben wir Gas, Akku und Brennstoffzelle gleichermaßen voran.
Was ist mit synthetischen Kraftstoffen?
Das kann auch Teil der Lösung sein, denn dem Motor ist das letztlich egal, mit was er fährt. Aber bei den E-Fuels muss man genau schauen, woher die eigentlich kommen. Es ist doch nicht viel gewonnen, wenn wir diese genau aus den Regionen beziehen, von denen wir heute unabhängig sein wollen. Das gleiche gilt für die seltenen Erden aus China bei den Batterien. Deshalb plädiere ich dafür, in Europa auf einen Mix aus Verbrennungsmotoren mit umweltfreundlichen klimaneutralen Kraftstoffen, auf Batterie und Brennstoffzelle gleichermaßen zu setzen. Jede Fokussierung auf eine Technologie treibt uns in die nächste Abhängigkeit.
Ein anderes Problem ist der Fahrermangel. Wann lässt sich dieser durch die Automatisierung ersetzen?
Da wird sehr viel Unsinn verbreitet, das muss man klar so sagen. Da laufen Start-ups durch die Welt und behaupten, sie hätten ein autonom fahrendes Fahrzeug auf Stufe 5, um Geld von Investoren einzusammeln. Dann wären sie sogar intelligenter als die Alphabet-Tochter Waymo. Sind sie aber nicht, wenn man genau hinschaut und die Technik hinterfragt. Wir alle kochen mit denselben Zutaten wie Lidar, Radar und hochauflösende Kameras. Daraus werden Algorithmen mit Entscheidungen abgeleitet, aber die sind leider nicht immer intelligent. Ich war grade wieder in San Francisco und habe da alle Robo-Taxi Start-ups im Einsatz sehen können. Da saß immer ein Fahrer drin und so reibungslos lief das alles auch noch nicht.