Abhängigkeiten sind meist bequem, bevor sie unbequem werden. Wer jahrzehntelang billiges Gas aus Russland erhält, fragt sich nicht, wie er den nächsten Winter ohne Wärme aus Sibirien überstehen soll. Und wer jahrzehntelang beste Geschäfte im autoritären China macht, erwägt keine Diversifikation in andere Märkte.
So rückte in den vergangenen 20 Jahren China zum größten Handelspartner Deutschlands auf. Rohstoffe, Hightech-Komponenten und selbst pharmazeutische Produkte aus der Volksrepublik sind hierzulande unverzichtbar geworden. Im vergangenen Jahr lag der Außenhandelsumsatz bei 245 Milliarden Euro, was zehn Prozent des gesamten Außenhandels Deutschlands ausmacht. Im ersten Halbjahr 2022 nahmen die deutschen Direktinvestitionen in China sogar noch zu. Auch die Importe und das deutsche Defizit im Handel mit China erreichten jeweils ein Allzeithoch. "Die Antwort vieler Firmen auf die geopolitischen Risiken scheint eher mehr China zu sein und nicht weniger", wundert sich Jürgen Matthes, Volkswirt beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.
Er warnt jedoch vor einer Fortführung dieser Strategie, die im Falle eines Einmarschs von China in Taiwan fatale Folgen haben könnte: "Bei in China besonders exponierten deutschen Unternehmen könnte das dann absehbar kollabierende China-Geschäft durch Einbußen auf der Absatzseite möglicherweise sogar in die Pleite führen."