„Schmerzhafter Prozess“

Die VW-Entscheidung, mit Cariad ein eigenes Softwarehaus zu gründen, hält Cariad-CEO Dirk Hilgenberg, für "völlig unstrittig." Der Manager spricht allerding von einem "schmerzhaften Prozess". Man habe sich vor allem auf das Umsetzen konzentriert. "Das ist unser Job."

Der neue VW-Konzernchef Oliver Blume habe kommuniziert, noch einmal eine Revision machen zu wollen. Dabei gehe es auch darum, Zeithorizonte zu entzerren und um die Machbarkeit. "Es ist jetzt eine einmalige Chance, da einfach noch einmal eine Überprüfung zu machen“, so Hilgenberg. Und weiter: "Wir gucken, wie bringen wir Produkte jetzt zeittreu auf den Markt.“ Für ihn ist der Weg "sehr mutig, sehr entschieden, sehr konsequent. Wir müssen ihn gehen, indem wir liefern“, ergänzt Hilgenberg zum Cariad-Weg.

Bei Cariad habe man sich sehr stark auf zwei Plattformen konzentriert, um diese dem Unternehmen als Enabler für neue Geschäftsmodelle zur Verfügung stellen zu können.
Bei der Plattform „The Driver“ wird der Fahrer durch Assistenzsysteme unterstützt, muss aber immer noch die Kontrolle über das Fahrzeug behalten. Wenn dem Fahrer mehr als zehn Sekunden – wie derzeit der Fall – zur Verfügung stehen, komme die Plattform „The digital X-Perience“ ins Spiel. Das ist der Fall, wenn der Fahrer beispielsweise Entertainment genießen oder an einer Videokonferenz teilnehmen will. Diese beiden Plattformen bedingen sich und verstärken einander. Für den Cariad-Chef sind auch Bezahlmodelle denkbar, etwa wenn ein Interessent für ein paar Monate eine autonome Fahrfunktion ausprobieren will.

Im Zusammenhang mit der Driver-Plattform verweist der Manager auf eine Zusammenarbeit mit dem Halbleiterhersteller Qualcomm. Hilgenberg begründet den Weg der gemeinsamen Softwarentwicklung vor allem aus zwei Gründen. Es gebe Stellhebel „die wir glauben beherrschen und besetzen zu müssen, um schnell vor Kundinnen und Kunde Funktionalität zu jeder Zeit an jedem Ort ausrollen zu können“. Dafür sei eine gewisse Eigenleistungstiefe notwendig. Erst dann sei eine Entscheidung möglich, um bestimmte Leistungen einzukaufen, im Rahmen von build-to-print oder selbst umzusetzen.

Die zweite Ebene sei die Middleware sowie Funktionen. Anfang des Jahres habe das Unternehmen daher eine Partnerschaft mit Bosch unterschrieben. „Wir haben nach einem Partner geschaut, der uns auch in der Entwicklung und im Engineering signifikant helfen kann.“ Auch die Verlässlichkeit eines langjährigen Partners wie Bosch sei ein Kriterium gewesen.

„Es ist wirklich eine Partnerschaft, es ist kein Lieferantenverhältnis“, betont Hilgenberg. Es sei ein gegenseitiges Lernen. Diese Form der Zusammenarbeit sei auch für den Standort Deutschland und Europa sehr wegweisend. Es sei für beide Partner aber „kein leichter Weg“ gewesen. „Das ist etwas, was wir bei Cariad anders machen dürfen und wollen.“

Auf der dritten, der Funktions- und Featureebene, ist es ihm wichtig, dass Funktionen nur einmal entwickelt werden. „Wir wollen nicht mehr für jede Marke unterschiedliche Architekturen und Sticks haben.“

Bei der „digital Xperience“ wolle man nicht einfach bei großen Anbietern wie Apple, Google oder anderen einkaufen. „Hier geht es um die Kundenschnittstelle.“ Es gibt noch Bereiche, in denen der Fahrzeughersteller noch Domaineigner ist. Das ist für ihn vor allem der Fahrzeuginnenraum. „Wir sehen ganz klar die Herausforderung dort ein Ökosystem für den Volkswagen-Konzern“ zu schaffen. Das Unternehmen müsse relevant sein für die Entwickler auf der Welt.

Hilgenberg verweist zudem darauf, dass sich erst vor wenigen Tagen in Berlin 5000 Mitarbeiter von Cariad getroffen haben, „die dort das erste Mal physisch zusammengekommen sind“. Diese Zusammenkunft bezeichnet er als ein „Riesenereignis“. Dabei ging es auch darum, die Mitarbeiter mit den Produkten und Services vertraut zu machen.

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