Harald Kröger will Branche mit neuem KI-Chip aufmischen

Fünf Jahre lang war Harald Kröger beim Technologie-Konzern Bosch, drei Jahre davon als Geschäftsführer. Er hat unter anderem das Halbleitergeschäft vorangetrieben und die Software-Kompetenzen gestärkt. Davor war der 55-Jährige beim Autobauer Mercedes für den Ausbau der E-Mobilität zuständig und saß im Aufsichtsrat von Tesla. Doch so richtig wohl fühlte sich der groß gewachsene Manager in den oft starren Strukturen der Branchenriesen nie. Ende 2021 nutzte Kröger den Umbau der Geschäftsführung nach dem Ausscheiden von Bosch-Chef Volkmar Denner zum Absprung.

Jetzt sitzt er in einem kleinen Café in der Nähe des Stuttgarter Schlossplatzes und erzählt von seinem neuen Projekt und der Rückkehr in die Autoindustrie. Einige Monate lang hat er Angebote sondiert und den Markt studiert. Doch bei einem Hersteller oder großen Zulieferer wollte er nicht nochmals einsteigen. "Ich weiß schon lange, dass es meine große Leidenschaft ist, technische Innovationen in die Serienreife und Industrialisierung zu bringen. Dieses Virus habe ich mir wohl bei meinem Studium in Stanford eingefangen – es gibt für mich nichts Spannenderes", sagt Kröger. Dazu passt auch der Posten im Verwaltungsbeirat des US-Elektroauto-Herstellers Rivian, den er im August angenommen hat.

Nun aber will er die Branche aufmischen und dem kalifornischen Unternehmen SiMa.ai zum internationalen Durchbruch verhelfen. Zum 1. Januar übernimmt er dort einen Aufsichtsratsposten und soll mit seiner Erfahrung und technischen Expertise das internationale Automobilgeschäft aufbauen. "Das sind tolle Leute und es ist ein unglaubliches Produkt“ schwärmt Kröger. Im Frühjahr habe sich das Unternehmen bei ihm präsentiert und einen revolutionären KI-Chip vorgestellt. Der sei samt dazugehöriger Software komplett fertig entwickelt und einsatzbereit. "Das Unternehmen hat beim ersten Schuss ins Schwarze getroffen – sehr außergewöhnlich im Chip-Geschäft“, urteilt Kröger.

Laut Kröger ermöglicht der Chip im Zusammenspiel mit der Software den Einsatz der künstlichen Intelligenz bei Fahrassistenz-Systemen auf einem ganz neuen Level. "Die Daten aus Kameras oder Lidar können durch den perfekt auf KI ausgelegten Chip mit der zehnfachen Geschwindigkeit konventioneller KI-Chips verarbeitet werden – es gibt auch Anwendungen, die hundertfach beschleunigt sind. Und das bei deutlich reduziertem Stromverbrauch", so Kröger. Damit lasse sich etwa die Reichweite eines mit KI ausgerüsteten Elektroautos um zweistellige Prozentwerte vergrößern, denn bisher gehe sehr viel Energie für die Kühlung der konventionellen KI-Chips verloren.

Um den Chip in die Industrie zu bringen, wird SiMa.ai in Stuttgart ein von Kröger geleitetes Headquarter gründen, bei dem zunächst eine zweistellige Zahl von Mitarbeitern beschäftigt werden soll. "Als erste Kunden haben wir zum Beispiel die großen Zulieferer in Europa, USA, Japan und Südkorea im Visier", sagt Kröger. Ein Vorteil ist dabei, dass sich der Chip in nahezu jede Elektronik- und Sensorumgebung einbauen lasse. "Das ist genau, was die Autoindustrie im Moment braucht", ist Kröger überzeugt. Denn bisher müssen Einzellösungen oft mühsam in die bestehenden Architekturen und Umgebungen eingebettet werden.

Der Chip sei aber auch für viele andere Branchen interessant. Er habe sich bereits in großen Drohnen bewährt oder bei Robotern, wo er die Leistung ebenfalls auf ein völlig neues Niveau heben könne. "Wir haben den ersten Auftrag eines sehr namhaften deutschen Maschinenbauers, der schlicht begeistert war von der Leistungsfähigkeit der SiMa-Lösung", sagt Kröger. Nicht auszuschließen ist auch, dass Kröger durch den neuen Chip auch bald wieder mit seinem ehemaligen Arbeitgeber Bosch zu tun haben wird. Da dürfte es sehr hilfreich sein, dass er das Unternehmen nicht im Streit verlassen hat, wie er betont. "Das Verhältnis zu den ehemaligen Kollegen ist nach wie vor sehr gut und absolut entspannt."

Aus dem Datencenter:

Marktvolumen für Software 2020 und Prognose