Herr Steger, wie hat sich das Geschäft bei ZKW 2022 entwickelt?
2022 lief deutlich besser als 2021, als wir knapp über einer Milliarde Euro Umsatz erzielt hatten. Die genauen Zahlen liegen für 2022 noch nicht vor, aber wir werden das Vorjahresergebnis wohl um mehr als 20 Prozent übertreffen. Allerdings läuft das Geschäft nicht rund, weil an verschiedenen Stellen immer wieder Material fehlt. Das ist wie Stop-and-Go im Feierabendverkehr.
Mit welchen Folgen?
Das verursacht enorme Kosten. Das heißt, für die Umfänge, die wir normalerweise im Drei-Schicht-Betrieb an fünf Tagen geschafft hätten, benötigen wir jetzt zum Teil zusätzliche Wochenendschichten mit entsprechenden Aufschlägen. Dazu addieren sich die erhöhten Material- und Energiekosten.
Wie sehen Sie die mittelfristige Entwicklung für ZKW?
Wir verfügen über eine extrem gute Auftragslage. Insgesamt stehen über neun Milliarden Euro im Auftragsbestand. Bei den Neuaufträgen liegen wir 2022 auf Rekordkurs. Auf der einen Seite sind die Steigerungen auf höherwertige Lichtlösungen zurückzuführen, auf der anderen Seite ist der Kostendruck sehr hoch. Wenn das Auftragsvolumen steigt, bedeutet das also nicht gleichzeitig, dass auch die operative Marge zulegt. Wir stehen unter einem starken Ergebnisdruck.
Welche Rohstoffe machen Ihnen besonders zu schaffen?
Wir kaufen enorm viel Granulate ein. Standard-, aber auch Spezialgranulate für die Streuscheiben unserer Lampen. Die Granulate sind abhängig von den Rohölpreisen, die wiederum von den Gaspreisen beeinflusst werden. Momentan schwächen sich die Preiszuwächse zwar wieder etwas ab, aber sie bleiben volatil. Eine weitere Herausforderung sind hochenergieintensive Materialien wie Glas. In unseren Scheinwerfern verwenden wir neben Silikonoptiken häufig auch Glaslinsen. Da schlagen bei unseren Zulieferern die Gaspreise enorm ins Kontor. Sofern es geht, werden diese Preise an uns weitergegeben.
Sie haben gemeinsam mit dem kalifornischen Unternehmen Cepton einen Scheinwerfer mit Lidar entwickelt. Warum haben Sie sich für dieses Unternehmen entschieden?
Weil sie über eine hochperformante Lidar-Sensorik verfügen und zu verschiedenen Märkten inklusive Automotive ein klares Commitment abgegeben haben. Cepton hat auch vernünftige Kostenannahmen und -positionen für die Zukunft gesetzt, so dass wir uns entschlossen haben, mit diesem Unternehmen zusammenzuarbeiten. Es gibt andere Anbieter im Lidar-Markt, die sind seit ewigen Zeiten aktiv, aber zu langsam. Bei Cepton stimmt die Mischung.
Gibt es schon einen Kunden für Ihre Lidar-Lösung?
Bislang haben wir dazu eine ganze Reihe von Gesprächen geführt. Ich gehe fest davon aus, dass wir einen Interessenten finden, der ein in den Frontscheinwerfer eines Trucks integriertes Lidar will. Es müssen allerdings noch einige Dinge gelöst werden.
Welche sind das?
Idealerweise wollen wir auf nur einem Rechner einerseits die Software für das Licht, andererseits für das Lidar laufen lassen. Technisch ist eine solche Lösung nicht notwendig, bietet aber enorme Kostenvorteile.
Wann könnte eine Lösung in Serie gehen?
Etwa zweieinhalb Jahre nach Auftrag könnte eine Serienfertigung starten.
Warum kombinieren Sie Lidar und Scheinwerfer?
Durch die Integration des Lidar in den Frontscheinwerfer wird es durch den Scan-Winkel möglich, um die Fahrzeugfront herumzuschauen. Unter dem Aspekt der Tote-Winkel-Erkennung bietet das Vorteile, Lidar im Scheinwerfer unterzubringen.
Wie verteilt sich Ihr Umsatz auf den Weltmärkten?
Derzeit entfallen etwa 60 Prozent unserer Umsätze auf Europa und jeweils 20 Prozent auf die Region Asia-Pazifik, natürlich mit dem Schwerpunkt in China, und den Nafta-Raum.
Soll es bei dieser Verteilung bleiben?
Langfristiges Ziel ist es, in allen Regionen möglichst gleichstark vertreten zu sein. In einem ersten Schritt wollen wir den europäischen Anteil auf etwa 45 Prozent senken und die beiden anderen Regionen gleichverteilt entwickeln.
Ihr Mutterkonzern LG hat ZKW übernommen, um eine führende Rolle beim autonomen Fahren zu übernehmen. Sind Sie auf diesem Gebiet weitergekommen?
Das vollautonome Fahren nach Level fünf ist in den Bestrebungen der Automobilindustrie etwas zurückgedrängt worden. Fahren nach Level vier wird jetzt als Königsklasse gesehen. Solche Fahrzeuge könnten etwa 2028 bis 2030 auf die Straße gelangen. Wir brauchen aber auch für Fahrzeuge nach Level zwei oder drei eine Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und noch wichtiger, zwischen den Fahrzeugen und der Umwelt. Vieles spricht dafür, dass man sich in der Industrie bei der Kommunikation auf Lichtsignale einigt. Solche Dinge gehören standardisiert.
Wann könnte das in einem Fahrzeug in die Serie kommen?
Es beschäftigen sich einige Hersteller intensiv damit und schaffen die technischen Voraussetzungen, dass ihre Premium-Frontscheinwerfer solche Projektionen umsetzen können. Wir bereiten derzeit mit den Premiumscheinwerfern die Fahrzeuge darauf vor. Später ist es dann eigentlich nur noch ein Softwarefeature.
Haben Sie sich durch LG auch neue Kundenkreise erschließen können?
Wir hatten früher zwar auch schon Kontakte zu Hyundai und Kia, aber mit einem LG-Logo auf der Business-Card erhalten wir einen ganz anderen Zugang. Wir kommen in Themen und in Angebotsanfragen rein, zu der wir als reine ZKW keinen Zugang gehabt hätten. Hyundai und Kia wollen wir uns jetzt in einem größeren Maßstab als Kunden erschließen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Lichtbranche insgesamt?
Licht hat eine gute Zukunft. Heut spricht man davon, dass das Licht das neue Chrom ist. Beispielsweise im Frontbereich von batterieelektrischen Fahrzeugen. Weil die großen Kühlereinlässe herkömmlicher Fahrzeuge entfallen, machen sich einige Hersteller enorm viele Gedanken, wie sie diese Frontpartien gestalterisch anders aufbereiten können. Etwa in Form eines beleuchteten Kühlergrills. Das hilft uns natürlich, viel mehr Lichtlösungen ins Fahrzeug zu bringen. Negativ ist, dass ein Scheinwerfer als Designelement immer wieder mal kurzfristig ausgetauscht wird. Ein Scheinwerfer ist ein hochkomplexes mechatronisches Teil, das aus bis zu 250 Komponenten besteht, für die sehr unterschiedliche Materialien benötigt werden und für die entsprechende Werkzeuge hergerichtet werden müssen. Je größer die Vielfalt im Scheinwerfer, desto mehr Investitionen müssen wir stemmen. Insbesondere bei kleineren Stückzahlen müssen wir die Investitionen besser in den Griff bekommen, denn solche kapitalintensiven Themen sind bei den Investoren nicht besonders beliebt.
Dazu aus dem Datencenter: