Drei von vier Manager der Automobilindustrie gehen davon aus, dass steigende Zinsen, Inflation und Energiepreise ihr Geschäft im Jahr 2023 nachteilig beeinflussen werden. Dennoch ist die große Mehrheit optimistisch, in den nächsten fünf Jahren profitabel wachsen zu können (83 Prozent). Das hat eine weltweite Umfrage der Unternehmensberatung KPMG unter mehr als 900 Vorständen und Geschäftsführern von Unternehmen der Automobilbranche in 30 Ländern ergeben.
Große Besorgnis äußern die Branchenexperten hinsichtlich der Versorgung mit Rohstoffen und Komponenten – vor allem mit Halbleitern, Elektrostahl und Leichtbaumaterialien. Diese sind für eine höhere Kraftstoffeffizienz und größere Batteriereichweite von hoher Bedeutung. Über die Hälfte der Befragten ist hier "sehr" oder gar "extrem besorgt". Zwei von drei Managern sind der Ansicht, dass die Rückverlagerung von Produktionsstätten aus Schwellenländern zurück in die Industriestaaten (Reshoring) für die Lieferkettenstrategie sehr oder gar extrem wichtig ist (65 Prozent).
"Lieferengpässe bereiten schlaflose Nächte"
Zinsen, Inflation, Energiepreise, Lieferengpässe – zwar beeinflussen die bekannten Probleme das Geschäft auch im Jahr 2023 negativ. Dennoch rechnen mehr als 80 Prozent der von KPMG befragten Führungskräfte damit, dass ihre Unternehmen in den nächsten fünf Jahren profitabel wachsen können. Alles in allem aber beginnt die "Ära der De-Globalisierung".
"Bereits bestehende und aufkommende Lieferengpässe sorgen weiter für schlaflose Nächte", sagt Goran Mazar, Partner, EMA & German Head of ESG and Automotive. Um die Anfälligkeit der Versorgung zu reduzieren, konzentrieren sich seiner Einschätzung nach Automobilhersteller und Zulieferer nun auf Near- und On-Shoring, um ihre Abhängigkeit zu verringern. "Die De-Globalisierungsära beginnt."
Über die Hälfte der Befragten meint zudem, dass ihr Unternehmen sehr oder extrem wahrscheinlich in den kommenden Jahren strategisch unbedeutende Geschäftseinheiten abstoßen dürfte (55 Prozent). Das sind laut KPMG deutlich mehr als noch vor einem Jahr (45 Prozent). KPMG spricht in diesem Zusammenhang von einem der auffälligsten Stimmungsumschwünge zwischen 2021 und 2022.
Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung: Der Trend zur E-Mobilität ist ungebrochen und hat sich verstetigt. 82 Prozent der Manager glauben, dass batterieelektrische Fahrzeuge in den nächsten zehn Jahren auch ohne Subventionen weit verbreitet sein werden. Rund drei Viertel der Manager geht davon aus, dass elektrisch betriebene Fahrzeuge im Jahr 2030 nicht mehr teurer sein werden als Verbrenner (72 Prozent). Als Marktführer im Bereich batteriegetriebener Fahrzeuge zu diesem Zeitpunkt sieht die Mehrheit der Befragten Tesla, knapp gefolgt von Audi und BMW. Auf Platz vier folgt Apple, das vor einem Jahr noch Platz neun belegte.
Uneinigkeit herrscht hingegen bei der Frage, wer denn bei den Ladesäulen die Nase vorn hat. 22 Prozent der Befragten meinen, die Versorger seien hier am besten positioniert. Mit jeweils 16 Prozent folgen gleichauf unabhängige Netzbetreiber, Ölfirmen sowie Autohersteller und -händler.
80 Prozent der Manager gehen davon aus, dass die Fahrleistung eine sehr wichtige oder extrem wichtige Rolle beim Fahrzeugkauf darstellt. An zweiter Stelle vermuten sie das Thema Datenschutz/Datensicherheit (74 Prozent Zustimmung). Gleichauf mit jeweils rund 70 Prozent liegen niedrige Emissionen, das Markenimage und ein angenehmes Fahrerlebnis. Acht von zehn Experten rechnen damit, dass 2030 die meisten Autokäufe online abgeschlossen werden.
Ein großes Wachstumspotenzial sehen die Experten im Versicherungsmarkt. 90 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass sich die Hersteller erfolgreich im Versicherungsmarkt betätigen werden; sei es im Rahmen einer Partnerschaft mit einem Versicherer (46 Prozent Zustimmung) oder durch den Verkauf von Fahrer- oder Fahrzeugdaten an ein Versicherungsunternehmen (44 Prozent).
Auch die Möglichkeit, künftig durch monatliche Abo-Gebühren für Softwareleistungen oder andere Angebote zusätzliche Einnahmen zu generieren, scheint den meisten Branchenfachleuten eine realistische Option zu sein. Etwa zwei von drei Befragten sind sehr oder extrem zuversichtlich, dass Kunden bereit sind, entsprechende Abogebühren zu bezahlen.
"Alles dreht sich um den Kunden", resümiert KPMG. Die Autoindustrie habe sich zu lange von ihren Kunden entfernt. "Damit ist jetzt Schluss. Die Digitalisierung bietet den Autoherstellern die Möglichkeit, direkte Kundenbeziehungen aufzubauen, die tief, dauerhaft und für beide Seiten vorteilhaft sind", heißt es bei der Unternehmensberatung. Der Erfolg werde wahrscheinlich davon abhängen, ein nahtloses, mehrjähriges Kundenerlebnis zu schaffen, das auf Personalisierung, Effizienz und Vertrauen basiert, insbesondere in Bezug auf Datenverwaltung.
Zudem entwickele sich die Auftragsfertigung von Fahrzeugen zu einer großen Wachstumschance. 76 Prozent der Umfrageteilnehmer glauben, dass Autohersteller erfolgreich sein können, wenn die Herstellung durch Dritte erfolgt. Der taiwanesische Konzern Foxconn, der iPhones für Apple zusammenbaut, arbeitet mit Lordstown Motors und Fisker zusammen, um in deren Auftrag E-Autos zu produzieren. Und Magna Steyr übernimmt unter anderem die Produktion des Modells Fisker Ocean.
Dazu aus dem Datencenter: