Warum 60 Prozent der Partnerschaften scheitern

Während die Branche jahrzehntelang von Konkurrenzdenken geprägt war, Fusionen und Übernahmen an der Tagesordnung und Partnerschaften eine Seltenheit waren, hat sich dieses Verhältnis grundlegend verschoben. Zwischen 2016 und 2021 stieg die Anzahl der Zusammenschlüsse und Joint Ventures um den Faktor 3,5. Auf eine Übernahme kommen mittlerweile sieben Partnerschaften, so das Ergebnis einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY unter den hundert größten Automobilzulieferern.

Bei der Wahl eines Partners konzentrieren sich Zulieferer vor allem auf die großen Player sowie Start-ups aus anderen, teils zunehmend konvergierenden Branchen. Doch auch der Wettbewerb und die OEMs werden mittlerweile als Verbündeter in Betracht gezogen, um die Herausforderungen durch das Aus des Verbrennungsmotors, kürzere Produktlebenszyklen, sich ständig ändernde Verbraucherwünsche, die Unterbrechung von Lieferketten durch die Corona-Pandemie sowie verlangsamte Export- und Importströme durch geopolitische Spannungen und Sanktionen gemeinsam zu bewältigen, heißt es in der Studie weiter.

Die Vorteile einer Partnerschaft reichen von einem beschleunigten Geschäftswachstum über die Optimierung bestehender Geschäftsstrategien bis zur Steigerung der Marktaktivität. In aktuellen Schlüsselbereichen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit ermöglichen sie den Zulieferern das Anstoßen mutiger Schritte, die ihnen helfen, ihre Transformation zu beschleunigen. So geben sechs von zehn Führungskräften an, dass sie mit der Umsetzung ihrer technologiebezogenen Transformationspläne begonnen haben, mehr als die Hälfte von ihnen streben dazu Partnerschaften an. Außerdem erlauben Partnerschaften die Streuung von Risiken, sie sind nicht so kapitalintensiv wie Fusionen oder Übernahmen und noch dazu lassen sie sich leicht wieder auflösen, so die Studienautoren.

Das ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Denn nicht jede Partnerschaft führt automatisch zum Erfolg. Die Analyse zeigt: Nur vier von zehn geschlossenen Partnerschaften glücken. „Ein Großteil der in den letzten Jahren beendeten Partnerschaften waren erfolglos, die Gründe hierfür sind allerdings oft eindeutig und hätten mit entsprechenden Präventivmaßnahmen und einer strukturierten Vorbereitung verhindert werden können“, erklärt Studien-Autor Sebastian Binder, Senior Manager Strategy & Transactions.

Aktionismus und überstürzte Verbindungen ohne intensive Planung führen zu nichts. Es komme also auf die Umsetzung an. Hier gebe es laut Studie zwar kein Patentrezept, der Schlüssel zum Erfolg liege jedoch immer in einem ganzheitlichen Ansatz, der alle Phasen der Partnerschaft durchdenkt und bei der Vision für die Zukunft des eigenen Unternehmens ansetzt.

Zuallererst sollten Zulieferer sich daher fragen, ob eine Partnerschaft für sie wirklich das Mittel der Wahl ist, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen und sich im stets komplexer werdenden Automobilmarkt ihren Wettbewerbsvorteil zu sichern. Wird diese Frage mit „Ja“ beantwortet, geht es an die Vorbereitung. Unternehmen müssen an ihrer Attraktivität arbeiten und sich als selbstbewusster Partner positionieren, der viel zu bieten hat. Hierzu gehört etwa das Schaffen reizvoller Arbeitsbedingungen, die den veränderten Wünschen der Arbeitnehmer Rechnung tragen.

„Wir beobachten, dass Zulieferer, die sorgfältig planen, sich gut vorbereiten und aktiv an ihrer Attraktivität arbeiten, erfolgreicher bei der Suche nach geeigneten Partnern und bei der Schaffung eines Mehrwerts sind“, sagt Studien-Autor Kevin Rebbereh, Director Strategy & Transactions.

Auch eine offene Kommunikation der eigenen Vorstellungen sowie das Identifizieren und Formulieren einiger „Quick Wins“ für potenzielle Partner würden Vertrauen schaffen und zur Steigerung der eigenen Attraktivität beitragen. Danach gehe es an die Auswahl der in Frage kommenden Partner, bei der neben den „harten“ wirtschaftlichen Kriterien mittlerweile auch gemeinsame Werte in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG), sowie digitale Reife, kulturelle Übereinstimmung und geopolitische Risiken berücksichtigt werden sollten.

Ist ein passender Partner gefunden, geht es laut Studie darum, als „Dach“ der Partnerschaft eine tragfähige gemeinsame Vision mit gemeinsamen Werten zu gestalten, ohne jedoch die eigenen Ziele aus den Augen zu verlieren. „Kulturelle Integration war stets von zentraler Bedeutung für erfolgreiche Partnerschaften, doch heute haben sich die Parameter geändert: Wir müssen nicht nur die regionalen Unterschiede berücksichtigen, sondern auch die unterschiedlichen Rollen und Betriebsmodelle“, so die Erfahrung von Constantin M. Gall, Managing Partner & Automotive Industry Practice Leader Europe West und ebenfalls Studien-Autor.

Um Win-win-Situationen zu erreichen, seien daher klare Regeln und Rollenverteilungen nötig. Zur gemeinsamen Vision gehöre es aber auch, bereits zu Beginn schon das Ende im Blick zu haben: Wie soll die Partnerschaft enden? Gibt es einen Börsengang oder eine Abwicklung? Oder soll die Zusammenarbeit unbegrenzt fortgesetzt werden? Das Übersetzen der Vision in konkrete Arbeitsabläufe ist der fünfte und letzte Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen Partnerschaft. In diesem Zielbetriebsmodell müssen alle operativen Parameter wie die Frage nach dem Geschäftsmodell, den Vertriebskanälen und dem Maß an Kontrolle der Muttergesellschaften gemeinsam definiert werden. Auch Eskalationsmechanismen und Entscheidungsprozesse für den Umgang mit potenziellen Meinungsverschiedenheiten sollten durchdacht werden.

Dazu aus dem Datencenter:

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