Starkes Jahresende, aber 2023 bleibt ein Krisenjahr

Nach vorläufigen Veröffentlichungen der jeweiligen nationalen Automobilverbände lagen die westeuropäischen Pkw-Neuzulassungen im Dezember 2022 mit zirka einer Million Pkw etwa 16 Prozent über Vorjahresniveau. Verglichen mit einem mittleren Dezember der Jahre 2015 bis 2019 beträgt das Minus sechs Prozent. Im Gesamtjahr 2022 steht mit 10,16 Millionen Neuzulassungen ein Minus von vier Prozent gegenüber dem schwachen Vorjahr zu Buche. Im Vergleich zu den fünf Jahren vor der Pandemie ist es allerdings ein Minus von 28 Prozent. Es ist das niedrigste Neuzulassungsergebnis seit der Existenz der Neuzulassungsstatistiken in heutiger Form.

Bei der Beurteilung der Neuzulassungen zum Jahresende, insbesondere im Dezember, ist zu beachten, dass es teilweise zu positiven Sondereffekten gekommen ist. Aufgrund von Änderungen bei Subventionen für Elektro-Pkw oder Erhöhung der Pkw-Steuern ist es in einigen Ländern zu teilweise sehr starken vorgezogenen Neuzulassungen gekommen. Daher ist hier in den ersten Monaten des neuen Jahres mit negativen Effekten zu rechnen.

Seit Beginn der Pandemie Anfang 2020 spiegeln die Neuzulassungen die tatsächliche Nachfrage nicht mehr wider. Zuerst wurden sie hauptsächlich durch die eingeschränkten Verkaufsmöglichkeiten beeinflusst. Im Anschluss kam die Halbleiterkrise, die zu Produktionsausfällen führte. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine sind neue Produktionseinschränkungen durch fehlende Komponenten hinzugekommen. Hinzu kamen in einigen Regionen Chinas steigende Corona-Infektionen, die den Hafen von Schanghai vorübergehend stilllegten. Aktuell bahnt sich eine größere Wirtschaftskrise an. Führende Wirtschaftsforschungsinstitute sehen nahezu alle westeuropäischen Länder in diesem Jahr von einer Rezession bedroht. Insbesondere die gestiegenen Energie- und allgemeinen Lebenshaltungskosten werden zu Reallohnrückgängen führen, mit kaum kalkulierbaren Auswirkungen auf die Pkw-Nachfrage.

Aktuell ist eine Verbesserung der Lieferfähigkeit zu beobachten, auch wenn noch nicht alle Lieferketten wieder vollständig funktionieren. Unter der Annahme, dass es nicht erneut zu Problemen bei den Vorprodukten kommt, geht die Automobilwoche von folgendem Szenario aus: Der Abbau des stark erhöhte Auftragsbestands wird die Neuzulassungen noch einige Monate stützen. So wird erst einmal der Abbau des Auftragsbestands zur Stärkung der Neuzulassungen führen.

Allerdings muss gerade in den ersten beiden Monaten in einigen Ländern mit negativen Auswirkungen durch die vorgezogenen Zulassungen Ende 2022 gerechnet werden. Die negativen Effekte aufgrund des wirtschaftlichen Umfelds, insbesondere der starken Reallohnrückgänge, werden dann im weiteren Jahresverlauf bei den Neuzulassungen überwiegen. Unter diesen Voraussetzungen erwartet die Automobilwoche für das laufende Jahr zirka 10,88 Millionen Neuzulassungen, ein Plus von sieben Prozent gegenüber vergangenem Jahr. Dies wären dann aber immer noch 23 Prozent weniger als im Mittel der fünf vorpandemischen Jahre. Voraussetzung ist dabei, dass sich die aktuellen Krisen nicht verstärken und auch keine neuen hinzukommen.

In Großbritannien lagen die Neuzulassungen im Dezember 18,3 Prozent über Vorjahr und 16 Prozent unterhalb des mittleren Dezemberwertes der Jahre 2015 bis 2019. Im Gesamtjahr liegen die 1,614 Millionen Neuzulassungen zwei Prozent unter dem schwachen Vorjahr, aber gegenüber einem mittleren Ergebnis der fünf vorpandemischen Jahre beträgt das Minus 36 Prozent.

Unter den allgemeinen Annahmen einer weiteren Erholung bei der Lieferfähigkeit ergibt sich für das laufende Jahr ein Anstieg um 11,5 Prozent auf 1,8 Millionen Pkw. Allerdings wird die Nachfrage durch den erwarteten Rückgang der Wirtschaftsleistung um ein Prozent gedämpft werden. Somit würde der Pkw-Markt immer noch 29 Prozent niedriger sein als im Mittel der Jahre 2015 bis 2019.

Die Neuzulassungen in Frankreich lagen im Dezember knapp (0,1 Prozent) unter Vorjahr. Das Gesamtjahr schloss mit einem Minus von 7,8 Prozent und knapp 1,53 Millionen Neuzulassungen ab. Das Ergebnis liegt 28 Prozent unter dem Mittel der Jahre 2015 bis 2019.

Für das Jahr 2023 wird ein Anstieg der Neuzulassungen um 4,6 Prozent auf 1,6 Millionen Pkw gerechnet. Die schwache Wirtschaftsentwicklung (BIP: +0,1 Prozent; Inflation: 7,0 Prozent) verhindern eine stärkere Erholung der Neuzulassungen. So bleiben sie 24 Prozent unter dem mittleren Wert der fünf vorpandemischen Jahre.

Italiens Neuzulassungen lagen im Dezember gegenüber dem Vorjahr um 21 Prozent im Plus, nach zwölf Monaten gibt es mit 1,316 Millionen Neuzulassungen ein Minus von 9,7 Prozent. Verglichen mit den Vorjahren (mittlerer Wert der Jahre 2015 bis 2019) sind dies Rückgänge von 16 Prozent im Dezember und 31 Prozent für das Gesamtjahr.

Das Jahr 2023 wird eine leichte Erholung auf 1,45 Millionen Neuzulassungen bringen, ein Plus von gut zehn Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt soll stagnieren, für die Verbraucherpreise wird ein Anstieg von zirka neun Prozent erwartet, nach plus 7,9 Prozent im vergangenen Jahr. So bleiben dieses Jahr die Neuzulassungen 24 Prozent unter dem vorpandemischen Niveau.

Der Dezember brachte in Spanien einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 14,1 Prozent. Für das Gesamtjahr steht mit 813.000 Neuzulassungen ein Minus von 5,4 Prozent zu Buche. Verglichen mit den Werten von 2015 bis 2019 ergibt sich für Dezember ein Minus von 26 Prozent und für das Gesamtjahr ein Rückgang von 34 Prozent.

Unter dem beschriebenen Szenario sollten die Neuzulassungen in diesem Jahr auf 890.000 Pkw ansteigen, ein Plus von 9,4 Prozent. Das wären 28 Prozent weniger als im Mittel der Jahre 2015 bis 2019. Die Wirtschaftsleistung Spaniens wird sich nur um 0,8 Prozent erhöhen, die Inflation wird, nach zirka neun Prozent im vergangenen Jahr, dieses Jahr immer noch knapp acht Prozent betragen.

In Deutschland brachte der Dezember ein unerwartet hohes Wachstum von 38,1 Prozent und das Gesamtjahr drehte mit dem letzten Monat noch ins Plus. Die 2,651 Millionen Neuzulassungen lagen 1,1 Prozent über Vorjahr. Gegenüber 2015 bis 2019 lag der abgelaufene Monat zwar 24 Prozent im Plus, für das Gesamtjahr 2022 beträgt der Rückgang allerdings 23 Prozent.

Das Jahr 2023 wird auch in Deutschland zu Beginn unter dem Einfluss des Abbaus eines erhöhten Auftragsbestands und den negativen Effekten aus den vorgezogenen Zulassungen im Dezember stehen. Dann wird die schwache wirtschaftliche Situation an Einfluss gewinnen. Für das Bruttoinlandsprodukt wird mit einem Rückgang um 0,5 Prozent gerechnet, die Verbraucherpreise sollen um sechs bis sieben Prozent steigen, nach einem Anstieg von acht Prozent im vergangenen Jahr. Unter diesen Rahmenbedingungen erwartet die Automobilwoche 2,8 Millionen Neuzulassungen, ein Plus von 5,6 Prozent gegenüber diesem Jahr. Dies wären dann aber immer noch 19 Prozent weniger als im Mittel der fünf vorpandemischen Jahre und – abgesehen von den Jahren 2021 und 2022 – die niedrigsten Neuzulassungen im wiedervereinigten Deutschland.

Aus dem Datencenter:

Pkw-Neuzulassungen in Westeuropa im Dezember der Jahre 2000 bis 2022

Neuzulassungsveränderung in Westeuropa nach Ländern im Dezember 2022

Pkw-Neuzulassungen Westeuropa – Dezember 2022 und Prognose 2023

Neuzulassungsveränderung in Westeuropa nach Ländern im Dezember 2022

Neuzulassungsveränderung in Westeuropa nach Ländern im Dezember 2022

Pkw-Neuzulassungen in Westeuropa im Dezember 2022